DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1931 (Realgymnasium)

1.) Öffentliche Plätze in Köln

2.) Was interessiert mich auf Reisen besonders?

3.) Die Geschichte eines Wasserstoffatoms

4.) Alltagspflichten gegen die Gemeinschaft


Beurteilung

Oberprimaner B., Otto.

Regelmässig versetzt. Aus kunstbegabter, wohlhabender Familie. Offener, froher, edler Charakter, voll lebendigen Interesses, besonders für Technik. Durch Besichtigung bedeutender Werke, durch Teilnahme an einem Fliegerkursus, durch Basteln, Bau von Modellen und sonstige technische Betätigung hat er sein Gesichtsfeld wesentlich erweitert. Obwohl der Drittjüngste der Klasse, besitzt er reifes Urteil und weiss seine Auffassung klar, sicher und doch bescheiden vorzutragen. In den zwei neueren Sprachen allerdings schwanken seine Leistungen ständig zwischen genügend und mangelhaft, besonders im Schriftlichen. Im verständnisvollen Durchdringen des Inhalts leistet er auch hier Vollwertiges.

Lebenslauf

Den Prüfungsausschuß am Staatlichen Dreikönigsrealgymnasium bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1931.

Geboren bin ich am 18. Februar 1913 in Köln. Im Alter von sechs Jahren begann meine Schulzeit.Meine Vorbildung zum Eintritt in die Sexta erhielt ich mit noch einigen anderen Kameraden in besonderem Unterricht, der Ostern 1919 begann und mit der Aufnahme in die Sexta des Dreikönigsgymnasiums Ostern 1922 endete. Mit der Versetzung in die Untertertia wählte ich die reale Abteilung unseres Gymnasiums.

Für alle Fächer, in denen wir unterrichtet wurden, hatte ich stets Interesse. Meine Lieblingsstunden waren von Anfang an Mathematik und Physik, bei der ersteren besonders Geometrie. Auch am Chemieunterricht beteiligte ich mich gerne. Die Sprachen lagen mir etwas weniger, doch in der Oberstufe bekam ich mehr Interesse daran, erst recht, als wir im Französischen, wie auch im Englischen, soziale Themen behandelten. Im Latein war es ebenso. Deutsch, Geschichte und Erdkunde interessierten mich im allgemeinen. Die Geschichte wurde mir besonders interessant, als wir an die neueste Zeit kamen. Auch die Religion war mir stets ein liebes Fach, ganz besonders, als wir in die inneren Zusammenhänge mehr und mehr Einblick gewannen. Beim Zeichnen bevorzugte ich das Linearzeichnen, beim Musikunterricht den Gesang. Das Turnen ist mir immer schwer gefallen, was wohl nach Aussagen der Ärzte auf mein zu schnelles Wachstum zurückzuführen ist. Zum Schluß möchte ich noch erwähnen, daß ich an der mathematischen, sowie an der biologischen und deutschen Arbeitsgemeinschaft stets mit Interesse und mit großer Freude teilgenommen habe.

Außerhalb der Schule galt mein Hauptinteresse der Technik. Zuerst beschäftigte ich mich fast ausschließlich mit Verkehrsfragen, besonders mit den Strecken- und Bahnhofsanlagen der Eisenbahn. Schon als kleiner Bub spielte ich gerne mit meiner Miniatureisenbahn, die ich später zur größtmöglichen technischen Vollkommenheit ausbaute. Im Schuljahr 1929/30 besuchte ich auf der Staatlichen Maschinenbauschule zu Köln einen Fliegerkursus, der ein Jahr dauerte. In diesem Kursus waren für mich die Stunden über Motorenbau die interessantesten. Deshalb belegte ich zur gleichen Zeit noch eine zweite Reihe von Vorlesungen über die Vergasermotoren. Als Fortsetzung dieser Studien belegte ich Wintersemester 1930/31 über dieses Thema eine dritte Vorlesung mit Versuchen am Prüfstand. An den Fliegerkursus war außerdem ein Lehrgang zum Bau von Flugzeugmodellen angeschlossen, an dem ich mich ebenfalls sehr gerne beteiligte.

Es war mir vergönnt, schöne und lehrreiche Ferienreisen zu machen. Zuerst lernte ich den Rhein von der holländischen Grenze bis nach Mannheim, und seine Nebenflüsse Lahn, Mosel und Ahr mit ihren Naturschönheiten, mit ihrer Kunst und mit Industrie kennen, dann die Städte Frankfurt und Heidelberg, die Ostsee mit Stralsund, Rostock und Lübeck, dann Dänemark mit seiner eigenartigen Hauptstadt und seinen Königsschlössern, ferner die alte und doch moderne Hansastadt Bremen mit ihrer grandiosen Seeschiffahrt. Aus Mitteldeutschland kenne ich den Harz und die alte Kaiserstadt Goslar. Im Süden besuchte ich Nürnberg, Stuttgart und Augsburg, ferner das Salzkammergut mit Salzburg, Berchtesgaden mit dem Königssee; dann München, wo das deutsche Museum mich immer wieder anzog, die Seen Oberbayerns und das große Walchenseewerk, Innsbruck mit seinen Natur- und Kunstschönheiten, dann den Bodensee von Konstanz bis Friedrichshafen, Basel, den Vierwaldstättersee mit seiner näheren und weiteren Umgebung und Stellen des Schwarzwaldes. Auf allen diesen Reisen lernte ich viel von Land und Leuten kennen, vor allem aber die mittelalterliche, neuzeitliche und modernste Kunst.

Für die Reifeprüfung wähle ich als zweite Fremdsprache Englisch.

Als Wahlfach für die mündliche Prüfung nehme ich Mathematik.

Nach bestandener Reifeprüfung beabsichtige ich, die Ingenieurlaufbahn einzuschlagen.

Ich bitte, auf dem Reifezeugnis mein Religionsbekenntnis zu vermerken.

Abituraufsatz

Reifeprüfung Ostern 1931

Deutsche Prüfungsarbeit

Was interessiert mich auf Reisen besonders?

In jedem Jahre war ein lang ersehnter Augenblick gekommen, wenn die Schule ihre Tore schloß und die Herbstferien vor mir lagen. In zwei oder drei Tagen wurde dann die große Ferienfahrt angetreten. Die Vorbereitungen waren schon Wochen vorher getroffen worden und die Spannung stieg aufs höchste, als der Morgen der Abfahrt endlich da war. Jetzt konnte ich, wie ich das bei jeder Fahrt tue, mich den Beobachtungen über die Verkehrsanlagen der Eisenbahn widmen. Schon nach der Ausfahrt des Zuges fange ich an, das auf den ersten Blick als Gewirre von Schienen vor mir liegende Weichennetz der Kölner Bahnhöfe zu studieren. Wenn ich auch schon dutzendmale über die einzelnen Strecken gefahren bin, immer gibt es noch etwas neues zu sehen. Man lernt die schwachen Stellen des Netzes und die gut ausgebauten genau kennen und kann bei Erörterung dieser Fragen, die ja augenblicklich gerade in Köln brennend sind, auch ein Wort mitreden, besonders, wenn man die Beispiele anderer großer deutscher Städte vor Augen hat.

Es dauert nicht lange und das Weichbild der Heimatstadt verschwindet. Der Zug jagt auf freier Strecke durch die noch gut bekannte Landschaft. Hier ist einstweilen nicht mehr viel zu sehen für den Eisenbahner. Eine kleine Razzia durch den Zug schafft Abwechslung. Der D-Zug fährt nicht mit allen Wagen bis zum Ziel. Unterwegs wird der Zug geteilt. Der eine Wagen geht hierhin der andere dorthin. Wenn man die Bahnhofsverhältnisse der an der Strecke liegenden Städte kennt, kann man aus der Reihenfolge der einzelnen Zugwagen genau ihre Route feststellen. So sieht man dann manchmal auch, daß man in der Aufregung bei der Abfahrt im falschen Wagen Platz genommen hat. Eine Frage beim Schaffner gibt Gewißheit und nun heißt's umziehen.

Im mittleren Rheintal werden die Fensterplätze wieder bezogen. Die Strecke wird wieder interessant_ Vorspringende Felsen werden im Tunnel durchfahren; kleine Städtchen liegen bis dicht ans Rheinufer, und der Zug fährt auf einem Damm sozusagen über sie hinweg. Auf der anderen Seite läßt ebenfalls ein D-Zug seine Rauchfahne hinter sich: das Wettrennen hebt an. Schnell den Fahrplan heraus und festgestellt, wer der Fremde ist, wo er her kommt und welches sein Ziel ist. Vielleicht treffen wir uns später.

Allmählich wird das Land unbekannt_ Der Zug rollt weiter nach Süden. Es fallen Unterschiede der Anlagen in die Augen. Der Stil der Bahnhofsgebäude, die an einer Strecke durchweg vom selben Äußeren sind, ändert sich. Die Lokomotivtypen, die Wagentypen sind ganz anders, als man sie von seiner Heimat her gewohnt ist; die Signaleinrichtungen zeigen ein anderes Bild; die Menschen sind anders, man merkt's am Zugpersonal: kurzum, das Gebiet einer früheren selbstständigen Staatseisenbahn ist erreicht. Alle Rationalisierungsmaßnahmen der Reichsbahn mit ihren Einheitstypen haben sich wohl im durchgehenden Verkehr bemerkbar gemacht, aber der Lokalverkehr hat das typische Bild beibehalten. Nun lassen sich Vergleiche anstellen mit der Heimat. Weiterhin kann man aus der Zusammenstellung der Lokalzüge und Güterzüge, aus der Anlage der Bahnhöfe und aus ihrer Benutzung Schlüsse auf die Wirtschaft dieses Gebietes ziehen. Die großen Städte zeigen oft ihre Eigenart in ihrem Bahnhof ausgeprägt. Einmal ein alter, häßlich gebauter wie der von Ludwigshafen, oder einer der modern aussieht, luftig gebaut ist und zum Aussteigen auffordert, wie der von Stuttgart. Schon die Einfahrt in die komplizierten Gleisanlagen, auch wenn von der Bahnhofshalle noch nichts zu sehen ist, läßt ungefähr ahnen, wie die Station aussehen wird. Ludwigshafen, wo sich alle einlaufenden Gleisstränge in gleicher Höhe kreuzen, kann keine moderne Anlage sein. Aber wenn der Verkehr in zwei oder drei verschiedenen Höhenlagen sich abwickelt, die Linien also plankreuzungsfrei geführt sind, dann gehört dazu sicher ein schöner und moderner Bahnhofsbau.

Glücklich am Ziele angekommen, verläßt man voller Erwartung die Bahnhofshalle. Wie wird die Stadt aussehen? Was wird sie neues und fremdartiges bieten? Schon vor der Ankunft studiere ich im Fremdenführer den Plan der Stadt. Der Weg zum Hotel und die Verkehrslinien sind mir dann schon bekannt vom Papier her. In der Wirklichkeit ist jetzt das Zurechtfinden nicht mehr schwer. Am folgenden Morgen mache ich zunächst einen Rundgang oder eine Rundfahrt durch die Stadt zur Orientierung. Bald fühle ich mich nicht mehr unbekannt. Nun werden die Hauptsehenswürdigkeiten, die der Stadt das charakteristische Bild geben, besucht. Was mich aber weit mehr interessiert ist das Leben und Treiben auf den Straßen: der Verkehr und seine Regelung. Überall sind die Verkehrsbedingungen anders. Dementsprechend ist auch die Regelung den örtlichen Verhältnissen angepaßt_ An jedem Knotenpunkt ergibt sich ein anderes Bild. Von den mir bekannten Städten ist Stuttgart diejenige, wo sich die Einflüsse des modernen Verkehrs auf die Stadtplanung am deutlichsten zeigen. Der Bahnhof und die umliegenden Häuserviertel wurden im letzten Jahrzehnt vollkommen niedergelegt und neu errichtet. Die Hauptverkehrsader, eine sehr enge Straße vor der Hauptfront des Bahnhofs, wurde bei der Neugestaltung durch Verlegung des Bahnhofs und durch mehrere breite Straßenzüge ersetzt. Der Bahnhofsvorplatz bietet soviel Spielraum, daß er einen viel stärkeren Verkehr bewältigen könnte. Bei der Planung wurde zuerst der Verkehr berücksichtigt, alles andere kam erst in zweiter Linie. In der Altstadt half man den Schwierigkeiten ab durch die Einführung von Einbahnstraßen, Verkehrsposten und Lichtsignalen. Heute hat fast jede Stadt mit Verkehrsschwierigkeiten zu kämpfen. Je nach den angewandten Mitteln ergeben sich die mannigfachsten Lösungen.

Die auf meinen Reisen gemachten Beobachtungen haben mich später noch oft weiterhin beschäftigt. Durch kleine Skizzen versuchte ich selber einmal dieses oder jenes Verkehrsproblem meiner Heimatstadt zu lösen.