DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs A

1.) Gehalt und Gestalt des Trauerspiels „Kabale und Liebe“ von Schiller.

2.) „Alle menschlichen Gebrechen ... Sühnet reine Menschlichkeit.“ Das Geleitwort Goethes zur „Iphigenie“ ein Mahnwort an unsere Zeit.

3.) „So hast Du es bestimmt, o Gott, daß jeder ungeordnete Geist sich selbst zur Strafe wird.“   Augustinus.

4.) Eine vergleichende Bildbetrachtung. Fritz Boehle „Junger Ritter“ und „Der heilige Georg“.


Beurteilung

21 Jahre. Mittelgroß, kräftiger, durch Sport gehärteter Körper. Vater Direktor der Gothaer Feuersocietät. Eine jüngere Schwester. Katholisch.

Die Beurteilung des wohlerzogenen, erwachsen wirkenden jungen Mannes ist schwierig, da er erst nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft Ende Dezember 1945 in den Lehrgang eingetreten ist.

Das Gymnasium hat F. in Gotha besucht. Nach seinen Angaben war er dort in einer betont nationalsozialistischen Umgebung.

Die Lehrer waren ohne Religion bis auf einen, an den er sich in Verehrung angeschlossen habe. Als einziger katholischer Schüler seiner Klasse stand er mit wenigen gläubigen Evangelischen in schweigender Opposition. Nur in den Fächern Deutsch, Geschichte und Turnen war er aus Liebe zu seinem Lehrer und aus eigener Neigung mit ganzem Herzen bei der Arbeit und hat sich ihnen auch über das Erfordern der Schule hinaus gewidmet. Das Elternhaus hat ihm, wie es scheint, die Geistes- und Herzensbildung, die das Gymnasium dem begabten Jungen nicht geben konnte, feinsinnig ersetzt.

2 ½ Jahre - vom Juni 1943 bis Dezember 1945 - war er durch den Wehrdienst der Schule entzogen. Seine Leistungen in Mathematik entsprechen daher noch nicht ganz den Anforderungen. Bei seinem ernsten Streben ist jedoch der Enderfolg zu erhoffen, da Ausgleich durch gute Leistungen in Deutsch und Geschichte besteht.

Er beabsichtigt, Deutsch, Geschichte und Erdkunde zu studieren, um später Schriftleiter zu werden. Er scheint dazu geeignet zu sein.

Lebenslauf

Am 4. Juli 1925 wurde ich in Köln-Braunsfeld geboren. Von 1932 bis 1936 besuchte ich die Volksschulen in Köln und Gotha, von 1936 bis 1943 das Gymnasium Ernestinum in Gotha.

Im Juni 1943 wurde ich einberufen und Ende Dezember 1945 aus der Wehrmacht entlassen.

Meine früheste Erinnerung sind die Märchen und das Sehenlernen der Natur. Märchen und Wirklichkeit waren eins. Ich bekam viele Bücher und konnte nie genug haben. Zu meinen Geschichten phantasierte ich weitere Abenteuer und schließlich spielte ich die Gestalten selbst.

Nach einigen Jahren Volksschule kam ich in Gotha auf das Gymnasium.

Die Weltanschauung der meisten Lehrer war ohne Religion. Das wirkte sich auf meine Mitarbeit in den einzelnen Fächern aus. Nur ein Lehrer war mir Vorbild und Kamerad.

In den Jahren als ich anfing, selbständig zu denken, hatte die Schule sonst keinen Einfluß mehr auf mich. Allein an Deutsch, Geschichte und Turnen hatte ich viel Freude. In der Richtung dieser Fächer arbeitete ich vor allem zu Hause unabhängig von der Schule.

In dieser Zeit versuchte ich in schriftlichen Überlegungen, über den Sinn des Lebens Klarheit zu gewinnen. Ich begann mit einem Gottesbeweis. Der Inhalt war im wesentlichen folgender:

Die Menschen können Vorstellungen und Begriffe nur von Dingen haben, die sie einmal gesehen und erlebt haben. Alles, was sie nicht erlebten, muß von außen in sie hineingelegt worden sein. Der Begriff „Gott" ist entweder seelisches Erleben (denn die Seele kommt von Gott), aber Gott legte diesen Begriff in die Seele des Menschen. Wäre keiner dieser beiden Fälle eingetreten, dann hätte der Mensch den Begriff „Gott" nicht.

Ich überlegte weiter: Wenn Gott existiert, dann sind wir seine Geschöpfe. Daraus ergibt sich der Sinn unseres Daseins, die Entwicklung und Reife hin zu Gott.

Er gab uns Körper und Geist. Beide sind seine Geschenke. Körper und Geist müssen ausgebildet und vom Willen beherrscht werden, der klar dem Willen des Schöpfers folgt.

Diese Erkenntnisse wollte ich praktisch verwirklichen. Mein Ziel war zunächst eine möglichst große Allgemeinbildung und ein weiter Gesichtskreis. Später wollte ich mich erst auf einzelne Gebiete spezialisieren. Durch Übung und Abhärtung sollte mein Körper der Herrschaft des Willens unterworfen und befähigt werden, in Anstrengungen und Strapazen durchzuhalten.

Bücher beeinflußten immer wieder Verstand und Phantasie. In der Kindheit waren es die Grimmschen Märchen gewesen, in der Zeit des geistigen Erwachens ergriff mich der Einfluß ganz verschiedener Werke. Kunst, Dichtung und die Berichte von Forschern über ferne, unbekannte Länder fesselten mich.

Einige Bücher waren mir besonders lieb. Zuerst von Otto Gmelin „Konradin reitet". Für mich wurde Konradin zum Vorbild eines edlen Jünglings, mit seinem feinsinnigen, zarten Gemüt, seinem tapferen Herzen und seinem Drang nach dem Abenteuer der geheimnisvollen Ferne.

Später las ich das Buch des indianischen Dichters Wäscha-kwamesin, „Men of the last frontier". Vor mir erstanden wieder die Märchen und Gesichte meiner Kindheit in den Mythen und Sagen der Indianer. Ich versenkte mich in die Naturschau dieser einfachen, unverbildeten Männer, die Tiere und Bäume ihre Brüder nannten und über ihrem äußerlich harten, entsagungsvollen Leben nicht verhärtet, sondern innerlich reich geworden waren.

Bei dem Buch des englischen Obersten Thomas Eduard Lawrence „Die sieben Säulen der Weisheit" erlebte ich am eindringlichsten das Schicksal eines anderen Menschen mit. Lawrence setzt sich mit den Gewalten seines Lebens und seiner eigenen dämonischen Natur auseinander. Ich bekam eine Vorstellung von der Gefahr, die in der Zwiespältigkeit unseres Lebens liegt, das zwischen Geist und Materie gespannt ist.

In der Zeit der Entwicklung wirkte am nachdrücklichsten auf mich mein Elternhaus.

Schon früh legten meine Eltern den Grund zu jenem unbedingten Vertrauen, das ich bis heute zu ihnen habe. Von ihnen erhielt ich die Begriffe von gut und böse, von Gott und Welt. Meine Eltern zeigten mir, was schön und was häßlich ist. Vor allem eins lehrten sie mich: Versuchen, den Mitmenschen zu verstehen und ihm gerecht zu werden.

Vater und Mutter blieben jung mit uns Kindern und verstanden unsere Sorgen und Nöte. Ich kann mir nichts Schöneres denken, als wenn ein junger Mensch, der Rat und Hilfe braucht, zu seinen Eltern kommen kann!

Der Übergang aus der Geborgenheit des Elternhauses in das Soldatenleben war schwer. Ich forderte persönliche Freiheit und mußte mich nun völlig unter den Gehorsam stellen. Es dauerte lange, ehe ich mich eingelebt und erkannt hatte, daß es oft leichter ist, Befehle auszuführen, als sie zu geben.

An der Front, in der Begegnung mit dem Tode, fiel alles Unwahre, Affektierte ab, einfach der Mensch war noch da. Aber diese Ereignisse sind zu frisch in Erinnerung und der Abstand ist zu gering, als daß man über sie reden könnte.

Nach der Rückkehr in die Heimat erhebt sich erneut die Frage, wie sich mein künftiges Leben gestalten soll.

Wozu bin ich berufen? Was entspringt Anlagen und Fähigkeiten? Womit kann ich am besten der Gemeinschaft dienen?

Als Studium habe ich zunächst Journalistik gewählt. Hauptfächer sollen auf jeden Fall Deutsch, Geschichte und Geographie sein.

Auf einen bestimmten Beruf will ich mich erst festlegen, wenn ich einen größeren Überblick besitze und auf der Hochschule neue Anregungen auf mich eingewirkt haben.

Unser Leben ist Wachsen und Werden. Wir müssen ständig an uns arbeiten, um zu reifen und unser Dasein zu erfüllen.

„Mensch, so du etwas bist,
So bleib doch ja nicht stehn,
Man muß von einem Licht
Fort in ein andres gehn."            

Angelus Silesius