DKG (Köln)

Gesamtbeurteilung des Sonderlehrgangs C

Allgemeine Beurteilung des Sonderlehrgangs (1947)

Es hat in der 500-jährigen Geschichte des alten Tricoronatums keinen Abschlussjahrgang gegeben, in dem sich die Wucht der Schicksale und das Ausmass katastrophischen Erlebnis so massiert haben wie bei den 34 jungen Männern, die nunmehr zur Reifeprüfung anstehen. Insofern ist die Situation einzigartig.

Es zeigte sich daher in Verlaufe des Jahres bei dieser so hart mitgenommenen Jugend eine moralische Reife und innere Diszipliniertheit wie nie zuvor. Nur so ist ihre bedeutsamste Leistung zu verstehen: aus der Todesnot der Schlacht, aus anfangs unmenschlicher Gefangenschaft, aus Trümmerelend und oft quälenden Hunger, aus völliger Ausweglosigkeit im Vorblick auf Zukunft und Beruf sich radikal und verbissen umzuschalten auf die intellektuelle Zucht und die kontemplative Ruhe einer schulischen Existenz. Dass diese Jungen zu einer derart revolutionären Umstellung nach all ihrem leidvollen Erleben fähig waren, das ist und bleibt ihre willensmässig, aber auch intellektuell bedeutsamste Leistung in diesem Jahre.

So war es erhebend festzustellen, mit welcher Unverzagtheit sie ihren schweren Wissenslücken zu Leibe rückten, mit welcher Aufgeschlossenheit sie sich den allgemeinen Problemen der menschlichen Existenz und philosophischen Wesenlehre zu stellen wussten.

Bei diesem geistigen Klima ermöglichte sich in fast allen Fächern eine Intensität geistigen Begegnens zwischen Lehrenden und Lernenden, eine Arbeitsgemeinschaft wahrhaft existenziellen Charakters, die oft genug den engen zeitlichen Rahmen einer Unterrichtsstunde sprengte. So erklärt es sich auch, wie aus mündlichen und schriftlichen Äusserungen der Jungen immer wieder festzustellen war, wie beglückt sie dieses erneute Erlebnis der Schule und ihre überzeitliche Idealität unmittelbar nach der Hölle des Krieges empfunden haben. Die Nichtanerkennung des Reifevermerks haben sie keineswegs beklagt, sie wurde von ihnen im Gegenteil durchaus positiv gewertet. Es gab sogar junge Leute, die im Bewusstsein ihrer Bildungslücken von sich aus ihre Bedenken gegen eine Versetzung in den Sonderlehrgang anmeldeten.

Erfreulich ist die Tatsache, mit welch einem zwingenden Optimismus diese Jungen auf ihren künftigen Beruf lossteuern – trotz aller objektiven Not um sie herum. Fast alle haben ein klar umrissenes Berufsziel, meist akademischen Charakters.

Es bleibt noch eine erstaunliche Feststellung: die Verschiedenartigkeit der Erlebnisse und die jahrelange Zerstreutheit über ganz Europa hinweg vermochten dennoch nichts an der positiv christlichen Lebens- und Denkform des Einzelnen zu ändern. Aus Erzählung und inzwischen eingereichtem Lebenslauf geht vielmehr hervor, wie sehr gerade aus ihr heraus diese Jungen das anstürmende Chaos und eine oft verzweifelte Situation durchzustehen, ja ihrer geistigen Gesamtentwicklung sinnvoll einzugliedern wussten.

Diese Bewährung ihrer christlich – humanistischen Lebens- und Denkform in Not und Tod liess die einzelnen Jungen alsbald nach ihrem Eintritt in den Sonderlehrgang zu einer lebendigen Gesinnungsgemeinschaft verwachsen, in der zu lehren eine Freude war. Es zeigte sich allgemein eine fundierte Grundsatztreue, die sich bis in den Lehr- und Lernbetrieb der Einzeldisziplinen hinein auswirkte. Mit einer äusserst sensiblen Kritik überwachten sie – vor allem in den Weltanschauungsfächern – die angetragenen und auszutragenden Probleme. Es wurde rege, aber immer wieder aus einem geschlossenen und tief gläubigen Positivismus heraus diskutiert. Dabei war auffällig, dass die Machtphilosophien und Existenzlehren der Vergangenheit – wenn sie überhaupt noch ein distanziertes Lächeln fanden – fast völlig vergessen und auch in der Diskussion kaum noch eine Rolle spielten.

Wenn nur alle Bildung wesentlich in der f o r m a l e n Einheit einer aus weltanschaulicher Fundierung heraus k r i t i s c h e n U r t e i l s k r a f t besteht, dann ist sie bei diesen jungen Männern trotz materialer Wissenslücken, die nicht verkannt werden dürfen, dennoch in ausgezeichnetem Masse vorhanden. Denn diese lebendige und kritisch-wache Geistform soll sich nicht erst, sie h a t sich bereits bewährt unter Umständen, vor denen alles bloss rationale, n u r humanistische Bildungswissen zerstoben wäre.

Dass aber diese Synthese furchtbarster Erlebnisse, klassischer Erinnerungen und positiver Gläubigkeit diesen jungen Leuten überhaupt möglich war, dass ihnen zuvor über alle materiale Wissensvermittlung hinweg eine lebendige und einwandelnde Geistform allmählich zuwuchs, das danken sie nach eigener Aussage in erster Linie der universalen und jahrelangen Bildungsarbeit ihres Religionslehrers.

Ausserhalb der Schule ist es vor allem die führende Tätigkeit in der Pfarrjugend, die diese jungen Männer Verantwortlichkeit und Selbstzucht sowie den Wert positiven Wissens zeitig schätzen liess. Viele haben sich dieser Tätigkeit auch illegal in den Jahren des Nationalsozialistischen Regimes gewidmet, so dass sie der heisse Atem des weltanschaulichen Ringens angeweht hat, der sie die freie Schule nach ihrer Rückkehr um so beglückter erleben liess.

So stehen sie heute – charakterlich mehr gerüstet als irgend eine andere Generation, weil früh bewährt und tapfer entschlossen, aber auch voll tiefer Gläubigkeit an die Welt des Geistes und der Gnade – vor einem Leben, dessen verzweifelte Not menschliches Mühen weitaus übersteigt. Und trotz allem: es ist die helle Zuversicht dieser geschundenen und darum so gereiften Jugend, dass sie ihr Leben in Frieden und christlicher Gutwilligkeit meistern wird. Und ich glaube: dieser Optimismus steckt an.

Zwar hat der Lehrgang kaum blendende Sonderleistungen aufzuweisen. Auch die intellektuelle Begabung hielt sich in durchschnittlichen Grenzen. Gegen Ende des Jahres stiegen die erzielten Leistungen naturgemäss an, je mehr die Jungen sich ein- und beizuarbeiten vermochten.

Es dürfte aber kaum einen Jahrgang geben, der mit grösserer Dankbarkeit, mit ernsterem Streben und idealerem Wollen die Schule verlassen hat.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs C

1. Vorschlag:

a) Meine Vorstellung vom neuen Menschen.
b) Goethes Faust und die christliche Vernunft.
c) Rheinisches Abendland.

2. Vorschlag:

a) Fausts Glaubensbekenntnis in christlicher Schau.
b) Einige Wesenszüge in Goethes Menschenbild.
c) Inwiefern ist Goethes Iphigenie ein klassisches Drama?

Die 3 Themen des 1. Vorschlages zur Wahl.


Beurteilung

J.B. ist 20 Jahre alt. Dieser gutherzige und stille Junge ist von unserer schicksalsschweren Zeit besonders hart angefasst worden. Der Vater verlor infolge der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten seine Stellung als Buchhalter. Nachdem der Junge die schweren Kriegsjahre in Köln verbracht und die Familie hier alles verloren hatte, wurde er eingezogen und geriet noch vor Kriegsende in amerikanische und dann in französische Gefangenschaft. Hier hat er schwerste Stunden durchmachen müssen. Aber die stille und in sich beschlossene Heiterkeit dieses Jungen ist über alles Schreckliche Herr geworden. Die Begabung ist eine durchschnittliche. Der zähe Fleiss seines gediegenen Charakters wird sicherlich ausreichen, das gesteckte juristische Berufsziel zu erreichen.

Leistungen: gut in Religion, befriedigend in Griechisch und Biologie, genügend in Deutsch, Geschichte und Mathematik, nicht genügend in Latein.

Lebenslauf

Ich bitte um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1947.

Am 19.5.1927 wurde ich in Köln als drittes Kind des Buchhalters Peter B. und seiner Ehefrau Maria B. geboren. Bei der Taufe erhielt ich den Namen Josef. Meine Eltern waren katholisch, und so genoß auch ich eine christliche Erziehung. Schon 1933 brach die Not in das sorglose Leben, das ich bis dahin mit meinen beiden älteren Geschwistern verbracht hatte. Durch die Machtergreifung verlor mein Vater seine Stellung. Erst nach zweijähriger Arbeitslosigkeit bekam er wieder eine Anstellung an der Leo-Versicherung. Dies war wohl auch der Grund, daß ich allein von meinen Geschwistern den Vorzug hatte, die höhere Schule zu besuchen. Die ersten fünf Klassen der Volksschule durchlief ich ohne Schwierigkeit, so daß auch der Besuch einer höheren Schule Erfolg versprach. Ostern 1938 trat ich nun in das staatliche Dreikönigsgymnasium ein. In den Unterklassen waren es Herr Funke und Herr Zimmermann, die wesentlichen Einfluß auf meine Erziehung und Fortbildung ausübten. Leider war mir ein längeres Beisammensein mit diesen Herren nicht vergönnt. Der Krieg begann; und mit ihm die furchtbaren Luftangriffe, die überall Furcht und Schrecken hervorriefen. So schloß ich mich dann 1941 mit einem Teil meiner Klassenkameraden der Kinderlandverschickung an. Unter der Betreuung von Herrn Funke verbrachte ich in dem Ostseebad Ahlbeck vier herrliche Monate. Ihm allein war es zu verdanken, daß das Leben, welches ursprünglich die Hitlerjugend gestalten sollte, keinen militaristischen Zwang annahm und wir unserer Freiheit nicht beraubt wurden.

Am 31. Mai 1942 verloren wir bei dem ersten Großangriff auf Köln unsere gesamte Habe. Nur mit Mühe konnten wir aus dem verschütteten Keller unser Leben bergen. Mit diesem Tage begann der Kampf ums Dasein, der das Studium weit in den Hintergrund stellte. Ständige Angst vor Luftangriffen, Wohnungsnot und nicht zuletzt auch der Druck der Hitler-Jugend, die mich in ihre Reihen zwingen wollte, bedrückten mein fürderes Leben.

Am 15. Juli 1943 wurde ich als Luftwaffenhelfer eingezogen. Anfangs war ich sehr stolz darauf, schon in jungen Jahren an der Verteidigung der Heimat teilnehmen zu dürfen. Aber die erste Begeisterung war schnell gedämpft, als ich dem Militarismus mit seinen Ungerechtigkeiten und Betrug ausgeliefert war. Während dieser Zeit reifte in mir der Entschluß, mich später der juristischen Laufbahn zu widmen. Hierin bestärkten mich noch die Erfahrungen, die ich im Arbeitsdienst, bei der Wehrmacht und in der Gefangenschaft machte.

Im Oktober 1944 bekam ich den Einberufungsbefehl zum Arbeitsdienst. Aber schon nach 8 Wochen wurde ich wieder entlassen; an Erfahrung und Menschenkenntnis reicher. Aber das Gefühl der Freude, wieder nach Hause zu kommen, überwog alle Bitternis. So verlebte ich nun Weihnachten 1944 wieder im Elternkreise und holte mir neue Stärkung für den schwersten Abschied. Der Krieg war verloren. Trotzdem sollte ich meine letzte Pflicht erfüllen und kam am 10. Januar 1945, 17jährig, meiner Wehrmachtsdienstpflicht nach. Die Ausbildung war sehr hart. Besonders für Schüler und solche, die zu denken gelernt hatten. Gerade das war in der deutschen Wehrmacht nicht erlaubt. Man brauchte nur willenlose Kreaturen, die blindlings gehorchten. Angewidert von diesem stumpfsinnigen, geisttötenden Getriebe, meldete ich mich zur Front. Im Februar kam ich nach Wesel. Wir lagen dort zu zwei Kompanien und sollten einen Rheinübergang des Gegners verhindern. Mitte März setzten die Amerikaner nach schwerer Artillerievorbereitung über. Wir hielten unseren Abschnitt noch zwei Tage und gerieten dann in Gefangenschaft. Damit beginnt der traurigste Abschnitt meines Lebens. Damals wurde ich in einem großen Transport über Namur nach Rennes verfrachtet. Voller Hoffnung auf baldige Heimkehr erwarteten wir sehnsüchtig das Kriegsende, und tapfer überwanden wir alle Widerwärtigkeiten. Aber wie groß war die Enttäuschung! Statt der Heimkehr wurden wir einem langsamen Hungertode entgegengeführt. Die Übergabe des Lagers an die Franzosen bedeutete für viele Gefangene den Tod. Der Deutschenhaß machte diese Franzosen zu Bestien. Immer häufiger wiederholten sich Grausamkeiten und Erschießungen. Dazu kam die große Hungersnot. Täglich begruben wir durchschnittlich 130 Tote. Im Lager herrschte die Ruhr. Auch ich war von ihr erfaßt und verdanke es nur der aufopfernden Pflege meines besten Freundes, daß ich mit dem Leben davonkam. Wir waren alle so erschöpft, daß wir uns kaum von der Erde erheben konnten. - Gerade zu dieser Zeit erhielten wir die ersten Lagerzeitungen, die ihre Entrüstung über die Grausamkeiten in deutschen Konzentrationslagern herausschrien. - Im Lager war jede Ordnung aufgelöst. Viele Menschen, auch Akademiker, wurden zu Dieben, stahlen ihren kranken Kameraden das letzte Stück Brot.

In dieser Zeit erfuhr ich erst, was der katholische Glaube vermag. Er war die Quelle, aus der ich immer neue Kraft schöpfen konnte. Mein Schicksal lag in Gottes Hand und diese Gewißheit genügte, den Lebenskampf immer wieder von neuem aufzunehmen. Wer eine Religion hat, braucht nicht zu verzweifeln; denn er weiß, daß alles nur zu seinem Besten geschieht. Die Rettung winkte uns im November, als ich völlig unterernährt dem Amerikaner wieder übergeben wurde. Ich kam nach Bolbec bei le Havre. Jetzt konnte man wieder aufatmen. Es gab Zusatzkost und mit Zunahme der Körperkräfte erwachte auch wieder die Lust zu geistiger Beschäftigung. Bücher standen uns zwar keine zur Verfügung; dafür wurde aber Vorträge und Arbeitsgemeinschaften abgehalten. Der Verkehr mit einem Rechtsanwalt, der mir vieles aus seinem Leben erzählte, begeisterte mich für seinen Beruf. Hauptsächlich aber bestärkten mich meine Erlebnisse bei der Wehrmacht und in der Gefangenschaft in meinem Vorsatz. Ich lernte die Menschen in der größten Not kennen und machte die Erfahrung, daß die Schwächeren überall unterdrückt werden. Deshalb habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, hilfsbedürftigen Menschen zu ihrem Rechte zu verhelfen.

Im März 1946 kehrte ich nach einjähriger Gefangenschaft nach Köln zurück. Sofort suchte ich das Dreikönigsgymnasium wieder auf, wo ich dann in den Sonderlehrgang C aufgenommen wurde. Erst langsam konnte ich mich wieder an das Schulleben gewöhnen. Jetzt hoffe ich zuversichtlich, bei milder Beurteilung der Herren Lehrer zu Ostern mein Ziel zu erreichen.

Abituraufsatz

Deutsche Prüfungsarbeit.

Welche Gründe lassen auf eine Besserung unserer heutigen Lage hoffen?

A. Einleitung: {Inhalt?}

B. Ausführung:

a) Besserung durch die Politik.
b) Besserung auf wirtschaftlichem Gebiet.
c) Besserung durch den Sport. {Keine Steigerung der Abschnitte nach Bedeutung + Gewicht!}

C. Schluß. {Inhalt?}

A. Durch den furchtbaren Ausgang des Krieges ist unser Volk in einen tiefen Abgrund gefallen. Unsere Städte bieten ein Bild schrecklicher Zerstörung. Aber schlimmer als all' der materielle Schaden, den uns der Krieg gebracht hat, ist die Zerrüttung jeden{G} ethischen Bewußtseins im Menschen selbst. Durch die materielle Not ist der Mensch{zu allgemein!} zu einem haltlosen Geschöpf herabgesunken, das keine Achtung vor dem Mitmenschen mehr kennt, dem die menschliche Seele, eines der höchsten Geheimnisse, kein Staunen mehr einflößt. Damit schon ist der Mensch in die Hände Satans{übertrieben!} gefallen, der ihn in seine Selbstgenügsamkeit herabgezogen hat, die nur Gott zukommt. Somit hat sich der Mensch selbst zum Götzen gemacht.

Diese Zerrüttung des Menschen, dieser krasse Egoismus, der sich jetzt so erschreckend häufig zeigt, ist zunächst auf unsere materielle Not zurückzuführen. Aus einer schlechten Ursache muß auch eine schlechte Wirkung hervorgehen; und solange sich die Lebensbedingungen unseres Volkes nicht bessern, ist auch nicht an eine Erneuerung des Menschen zu denken. Welche Gründe nun lassen auf eine baldige Besserung unserer heutigen Lage hoffen?

B a) Gehen wir zunächst von der Politik aus. Bereits zwei Jahre ist der Krieg beendet. Was die Siegermächte während dieser Zeit für Deutschland getan haben, ist nicht gerade viel. Die Moskauer Friedenskonferenz, die die neue Gestalt unseres Vaterlandes bestimmen sollte, hat einen geradezu kläglichen Ausgang genommen.{Thema!} Es zeigte sich sehr stark die tiefe Kluft zwischen Ost und West. Wenn man dies auch mit allen Mitteln nach außen hin verheimlichen will{falsch!}, so hat doch gerade diese Konferenz die Spannung wieder ans Licht gebracht. Die Hoffnung, die unser Volk auf diese Verhandlungen gesetzt hat, hat sich also als trügerische erwiesen.{Thema!} Einen neuen Hoffnungsschimmer bietet die kommende Londoner Friedenskonferenz.{Inwiefern?} Man wird jetzt wohl auf beiden Seiten versuchen, eine Lösung der deutschen Frage herbeizuführen, da ein abermaliges Scheitern der Verhandlungen leicht zu einem neuen Krieg führen könnte, der gerade für Deutschland wieder eine furchtbare Katastrophe bedeuten würde. Es ist also damit zu rechnen, daß beide Pole sich entgegenkommen{Ausdruck!}, um einen neuen Krieg zu vermeiden, und daß eine Lösung der deutschen Frage erreicht wird. Diese Lösung wäre für unser Vaterland von nicht geringer Bedeutung. Zunächst ist die Frage, ob Einheitsstaat oder Bundesstaat{Zusammenhang - Thema!}. Der Einheitsstaat wäre natürlich für ein Emporsteigen unserer Wirtschaft für uns vorteilhafter,{Z} als der Staatenbund. Aber die Ostmächte, die die Politik des Einheitsstaates vertreten, haben wohl weniger die wirtschaftliche Blüte Deutschlands im Sinne; sie erhoffen eine schnelle Verbreitung der kommunistischen Partei, durch die sie wiederum einen größeren Einfluß auf Deutschland ausüben können.{Thema!} Bei einem Staatenbund oder Bundesstaat dagegen würde ihre Partei in den Westzonen wohl kaum Fuß fassen können. Wie weit die Verbreitung des Kommunismus für Deutschland günstig oder schädlich ist, möchte ich hier nicht weiter erörtern. Das wichtigste Problem ist augenblicklich die Lösung der deutschen Frage; so{Gedanklicher Zusammenhang!?} klammert sich unser Volk jetzt an die letzte Hoffnung, die ihm die kommende Londoner Konferenz bietet.

b) Gehen wir von der Politik auf das Gebiet der Wirtschaft über. Es ist für die europäische Wirtschaft notwenig, den Deutschen die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu ernähren und zu bekleiden. Deutschland bedeutet in seiner jetzigen hilflosen Lage nur ein Ballast für die europäischen Staaten. Um also aus Deutschland irgendeinen Nutzen ziehen und ihm die Möglichkeit zu geben {Z} die Reparationskosten zu zahlen, muß zunächst dem deutschen Volk Lebensmöglichkeit gegeben werden {Z} und als Folge davon wird auch die deutsche Produktion um ein beträchtliches steigen. Die ersten Anzeichen, die auf eine solche Überlegung der Siegermächte schließen läßt{G}, ist die Verschmelzung der amerikanischen und britischen Zone. Damit ist ein Warenaustausch ermöglicht, der den Bewohnern dieser Zonen zugute kommt. Es ist nur zu wünschen{Thema!}, daß auch Frankreich bald seine Besatzungszone öffnet, worüber ja schon Verhandlungen geführt werden.

Auch das deutsche Volk hat den festen Willen von neuem anzufangen,{Z} trotz der Schwierigkeiten, die sich ihm entgegenstellen. So geht man mit Energie an den Wiederaufbau unserer Städte und Verkehrsanlagen, ohne die eine wirtschaftliche Gesundung gar nicht zu denken ist.

Bei der Behandlung dieses Themas kommt man leicht in Versuchung, Dinge aufzuzählen, die notwendig getan werden müssen, um eine Besserung unserer Lage zu erhoffen.{überflüssig!} Ferner könnte man beinahe mehr Gründe angeben, die auf eine Verschlechterung unseres Daseins schließen ließen.{Thema!} Ich denke hier in erster Linie an die Demontage von über 600 Betrieben, von der gerade die Westzonen besonders empfindlich betroffen werden. Es heißt zwar, es seien nur Rüstungsbetriebe, so daß es den Anschein hat, als wolle man nur einem politischen{Gedanke} Erstarken unseres Volkes vorbeugen. Wir müssen uns wohl oder übel mit dieser Erklärung zufriedengeben, liegt es ja doch nicht in unserer Hand dies irgendwie abzuändern. Aber trotz dieses wenig hoffnungsvollen Anzeichens{Thema!} auf eine Besserung, muß es für uns unbedingt sein, daß{Ausdruck!} unsere augenblickliche Lage nicht nur für uns, sondern für ganz Europa verhängnisvoll werden muß und{wirrer Gedanke!} das{O} eine Besserung unumgängliche Folge ist.

c) Auch im sportlichen Leben sehe ich einen Grund für eine Besserung. Allerdings kann er nur mittelbar den Gang der Ereignisse beeinflussen. Deutschland ist bis jetzt noch von allen internationalen Veranstaltungen sportlicher Art ausgeschlossen. Aber auf Grund der laufenden Verhandlungen ist damit zu rechnen, daß Deutschland bald in den sportlichen Weltverband aufgenommen wird. Gerade im Sport liegt eine Kameradschaft und völkerverbindende Idee{Ausdruck!}, die viel dazu beiträgt, den nationalen Haß zu überwinden. Hier entscheidet allein die Leistung und nicht die Nationalität. So{Zusammenhang?!} ist der Sport ein gutes Bindemittel, um die verschiedenen Völker der Erde zu einem Ganzen zu verbinden.{Schon gesagt!}

C) Wir haben nun gezeigt, wie wir aus politischen, wirtschaftlichen und sportlichen Erwägungen auf eine Besserung unserer jetzigen Lage hoffen können. Erst{Zusammenhang!} wenn die materielle Grundlage vorhanden ist, können wir auch auf eine Besserung des Menschen hoffen. Ist es doch tatsächlich so, wie ein Naturalist einmal sagte: „In der Not ist dem Menschen ein Stückchen Butter mehr wert als der ganze Faust."{....?!} Erst wenn die gegenwärtige Not nachläßt und der Mensch wieder Atem schöpfen kann, wird er sich auch auf die geistigen Werte wieder besinnen. Wir wollen hoffen, daß dies bald eintritt,{Z} und wir uns wieder ganz unserer Menschenwürde bewußt werden.

{Das Thema verliert der Verfasser des öfteren aus den Augen. Wichtige Gedanken verlieren sich in Unklarheit + zusammenhangloser Wirrnis. So wird z.B. im ersten Abschnitt nicht klar, was nun eigentlich unter der „deutschen Frage" verstanden wird (vgl. Schluß von b!).

Am bedauerlichsten aber bleibt, daß ein altsprachlicher Gymnasiast zu diesem Thema nur derartige Flachheiten und Banalitäten zu sagen hat, seinen Prüfungsaufsatz mit ein paar Gemeinplätzen über den Sport beschließt, aber zur geistigen Situation kaum ein Wort zu sagen weiss.}

01a - Häusliche Erziehung
07d_NS-Aufstieg, Machtergreifung
15e_Evakuierung
03s_Sport
05a_d_Deutsch
07r_rassische Verfolgung