DKG (Köln)

Gesamtbeurteilung des Sonderlehrgangs C

Allgemeine Beurteilung des Sonderlehrgangs (1947)

Es hat in der 500-jährigen Geschichte des alten Tricoronatums keinen Abschlussjahrgang gegeben, in dem sich die Wucht der Schicksale und das Ausmass katastrophischen Erlebnis so massiert haben wie bei den 34 jungen Männern, die nunmehr zur Reifeprüfung anstehen. Insofern ist die Situation einzigartig.

Es zeigte sich daher in Verlaufe des Jahres bei dieser so hart mitgenommenen Jugend eine moralische Reife und innere Diszipliniertheit wie nie zuvor. Nur so ist ihre bedeutsamste Leistung zu verstehen: aus der Todesnot der Schlacht, aus anfangs unmenschlicher Gefangenschaft, aus Trümmerelend und oft quälenden Hunger, aus völliger Ausweglosigkeit im Vorblick auf Zukunft und Beruf sich radikal und verbissen umzuschalten auf die intellektuelle Zucht und die kontemplative Ruhe einer schulischen Existenz. Dass diese Jungen zu einer derart revolutionären Umstellung nach all ihrem leidvollen Erleben fähig waren, das ist und bleibt ihre willensmässig, aber auch intellektuell bedeutsamste Leistung in diesem Jahre.

So war es erhebend festzustellen, mit welcher Unverzagtheit sie ihren schweren Wissenslücken zu Leibe rückten, mit welcher Aufgeschlossenheit sie sich den allgemeinen Problemen der menschlichen Existenz und philosophischen Wesenlehre zu stellen wussten.

Bei diesem geistigen Klima ermöglichte sich in fast allen Fächern eine Intensität geistigen Begegnens zwischen Lehrenden und Lernenden, eine Arbeitsgemeinschaft wahrhaft existenziellen Charakters, die oft genug den engen zeitlichen Rahmen einer Unterrichtsstunde sprengte. So erklärt es sich auch, wie aus mündlichen und schriftlichen Äusserungen der Jungen immer wieder festzustellen war, wie beglückt sie dieses erneute Erlebnis der Schule und ihre überzeitliche Idealität unmittelbar nach der Hölle des Krieges empfunden haben. Die Nichtanerkennung des Reifevermerks haben sie keineswegs beklagt, sie wurde von ihnen im Gegenteil durchaus positiv gewertet. Es gab sogar junge Leute, die im Bewusstsein ihrer Bildungslücken von sich aus ihre Bedenken gegen eine Versetzung in den Sonderlehrgang anmeldeten.

Erfreulich ist die Tatsache, mit welch einem zwingenden Optimismus diese Jungen auf ihren künftigen Beruf lossteuern – trotz aller objektiven Not um sie herum. Fast alle haben ein klar umrissenes Berufsziel, meist akademischen Charakters.

Es bleibt noch eine erstaunliche Feststellung: die Verschiedenartigkeit der Erlebnisse und die jahrelange Zerstreutheit über ganz Europa hinweg vermochten dennoch nichts an der positiv christlichen Lebens- und Denkform des Einzelnen zu ändern. Aus Erzählung und inzwischen eingereichtem Lebenslauf geht vielmehr hervor, wie sehr gerade aus ihr heraus diese Jungen das anstürmende Chaos und eine oft verzweifelte Situation durchzustehen, ja ihrer geistigen Gesamtentwicklung sinnvoll einzugliedern wussten.

Diese Bewährung ihrer christlich – humanistischen Lebens- und Denkform in Not und Tod liess die einzelnen Jungen alsbald nach ihrem Eintritt in den Sonderlehrgang zu einer lebendigen Gesinnungsgemeinschaft verwachsen, in der zu lehren eine Freude war. Es zeigte sich allgemein eine fundierte Grundsatztreue, die sich bis in den Lehr- und Lernbetrieb der Einzeldisziplinen hinein auswirkte. Mit einer äusserst sensiblen Kritik überwachten sie – vor allem in den Weltanschauungsfächern – die angetragenen und auszutragenden Probleme. Es wurde rege, aber immer wieder aus einem geschlossenen und tief gläubigen Positivismus heraus diskutiert. Dabei war auffällig, dass die Machtphilosophien und Existenzlehren der Vergangenheit – wenn sie überhaupt noch ein distanziertes Lächeln fanden – fast völlig vergessen und auch in der Diskussion kaum noch eine Rolle spielten.

Wenn nur alle Bildung wesentlich in der f o r m a l e n Einheit einer aus weltanschaulicher Fundierung heraus k r i t i s c h e n U r t e i l s k r a f t besteht, dann ist sie bei diesen jungen Männern trotz materialer Wissenslücken, die nicht verkannt werden dürfen, dennoch in ausgezeichnetem Masse vorhanden. Denn diese lebendige und kritisch-wache Geistform soll sich nicht erst, sie h a t sich bereits bewährt unter Umständen, vor denen alles bloss rationale, n u r humanistische Bildungswissen zerstoben wäre.

Dass aber diese Synthese furchtbarster Erlebnisse, klassischer Erinnerungen und positiver Gläubigkeit diesen jungen Leuten überhaupt möglich war, dass ihnen zuvor über alle materiale Wissensvermittlung hinweg eine lebendige und einwandelnde Geistform allmählich zuwuchs, das danken sie nach eigener Aussage in erster Linie der universalen und jahrelangen Bildungsarbeit ihres Religionslehrers.

Ausserhalb der Schule ist es vor allem die führende Tätigkeit in der Pfarrjugend, die diese jungen Männer Verantwortlichkeit und Selbstzucht sowie den Wert positiven Wissens zeitig schätzen liess. Viele haben sich dieser Tätigkeit auch illegal in den Jahren des Nationalsozialistischen Regimes gewidmet, so dass sie der heisse Atem des weltanschaulichen Ringens angeweht hat, der sie die freie Schule nach ihrer Rückkehr um so beglückter erleben liess.

So stehen sie heute – charakterlich mehr gerüstet als irgend eine andere Generation, weil früh bewährt und tapfer entschlossen, aber auch voll tiefer Gläubigkeit an die Welt des Geistes und der Gnade – vor einem Leben, dessen verzweifelte Not menschliches Mühen weitaus übersteigt. Und trotz allem: es ist die helle Zuversicht dieser geschundenen und darum so gereiften Jugend, dass sie ihr Leben in Frieden und christlicher Gutwilligkeit meistern wird. Und ich glaube: dieser Optimismus steckt an.

Zwar hat der Lehrgang kaum blendende Sonderleistungen aufzuweisen. Auch die intellektuelle Begabung hielt sich in durchschnittlichen Grenzen. Gegen Ende des Jahres stiegen die erzielten Leistungen naturgemäss an, je mehr die Jungen sich ein- und beizuarbeiten vermochten.

Es dürfte aber kaum einen Jahrgang geben, der mit grösserer Dankbarkeit, mit ernsterem Streben und idealerem Wollen die Schule verlassen hat.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs C

1. Vorschlag:

a) Meine Vorstellung vom neuen Menschen.
b) Goethes Faust und die christliche Vernunft.
c) Rheinisches Abendland.

2. Vorschlag:

a) Fausts Glaubensbekenntnis in christlicher Schau.
b) Einige Wesenszüge in Goethes Menschenbild.
c) Inwiefern ist Goethes Iphigenie ein klassisches Drama?

Die 3 Themen des 1. Vorschlages zur Wahl.


Beurteilung

R.K. ist der jüngste aus der Klasse. So erklärt es sich, dass er an Entwicklungsreife den anderen nicht völlig gleichkommt. Vom Kriege blieb er bis auf einen kurzen Dienst beim R.A.D. verschont. Der Vater ist Studienrat. Gut begabt, sehr aufgeschlossen und der Welt des Geistes zugetan, konnte man bei ihm oft den Eindruck haben, dass die Schule wirklich im Mittelpunkte seines Lebens stand. Es gab kaum einen Schüler des Sonderlehrgangs, der mit grösserer Anteilnahme den jeweils zu erörternden Problemen nachgegangen wäre. Ihm leuchtete manchmal bei einer neu gewonnenen Perspektive die helle Freude aus den Augen. Fast mit Andacht war er vor allem im Deutschunterricht dabei. Ohne Überschwang jedoch und in stiller nachdenklicher Kritik folgte er der Diskussion, zu der er - wenn bei seiner Jugend auch seltener - treffende Bemerkungen beizusteuern wusste.

Die Gewandtheit im Formalen fehlt noch hie und da. Er wird sie sich aber bei seinem Eifer schon beizeiten erarbeiten. Charakterlich ohne jeden Tadel, bei Lehrern und Schülern gut gelitten, ein begeisterter Bücherfreund, voll tiefer kompromissloser Religiosität wird er seinen stillen Weg gehen. Er beabsichtigt - wohl nicht mit ungetrübter Neigung - Volkswirtschaft zu studieren.

Leistungen: genügend in Mathematik, gut in allen andern Fächern.

Lebenslauf

Ich bitte um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1947.

Ich bin am 4. August 1928 als Sohn des Studienrats Georg K. und seiner Frau Maria, geborene N., in Köln geboren. Mein Vater ist geborener Kölner, meine Mutter stammt von einem Gutshof in der Nähe von Soest in Westfalen. Außer einer Schwester, die studiert, habe ich einen älteren Bruder, der in russischer Kriegsgefangenschaft ist.

Meinen Eltern verdanke ich eine gute Ausbildung. Mit 6 Jahren kam ich auf die Volksschule in Köln, die ich 4 Jahre lang besuchte. 1938 wurde ich in die Sexta des Dreikönigsgymnasiums in Köln aufgenommen. Ich wurde stets versetzt. 1943 beschädigte ein Fliegerangriff unsere Wohnung in Köln so stark, daß wir sie räumen mußten. Wir fanden eine Zuflucht auf dem elterlichen Gut meiner Mutter in Nieder[.?.] bei Soest. Von hieraus besuchte ich fortan das Archi[?]gymnasium in Soest. Im Herbst 1944 wurde ich in die OII versetzt. Dann setzten auch auf Soest schwere und schwerste Bombenangriffe ein. Im Januar 1945 war der Aufenthalt in Soest so gefährlich und die Schäden an den Gebäuden so groß, daß die Schulen geschlossen wurden. Mitte Februar 1945 wurde ich zum Reichsarbeitsdienst einberufen und zwar in das Lager 7/205 in Rhynern bei Hamm. Als die Amerikaner sich in den Ostertagen des Jahres 1945 dem Lager näherten, wurde es aufgelöst. Es gelang mir, der Gefangenschaft zu entgehen und mich zur großen Freude meiner Eltern glücklich nach Hause durchzuschlagen. Da die Schulen noch immer geschlossen waren, arbeitete ich in der Landwirtschaft bei Verwandten. Nebenbei unterrichtete mich mein Vater in den alten Sprachen. In den Sommermonaten 1945 nahmen meine Eltern die Verbindung mit Köln wieder auf. Durch glückliche Umstände fanden wir nach langem Suchen eine neue, allerdings stark beschädigte Wohnung und kehrten Ende September in die Heimat zurück. Von Oktober an war ich wieder Schüler des Dreikönigsgymnasiums. Ich wurde zunächst in die Klasse 7 und dann in den Sonderlehrgang C aufgenommen.

Schon seit Sexta habe ich immer Freude an den Sprachen gehabt. In Mathematik dagegen hatte ich immer mehr oder weniger große Schwierigkeiten. Mit 12 Jahren lernte ich Klavierspielen und bekam etwa 2 ½ Jahre Unterricht. Während dieser Zeit trat ich dem „Neudeutschen Bund" bei. Ich blieb auch dann noch Mitglied, als er offiziell verboten wurde. Als die ersten schweren Luftangriffe auf Köln niedergingen, konnte der Schulunterricht nicht mehr regelmäßig durchgeführt werden. So kam es, daß ich in Soest auf der Schule große Schwierigkeiten hatte. Ich kam in eine rein protestantische Umwelt, die mir sehr wenig zusagte. Die Bevölkerung war sehr nationalsozialistisch gesinnt. Der nationalsozialistisch-protestantische Geist, der leider auch im Leben der Schule stark hervortrat, erfüllte mich, der ich aus dem katholischen Rheinland kam, mit Antipathie, die sich im Laufe der Zeit noch verstärkte. Weil meine Lehrer das erkannten, waren sie mir nicht gerade wohlwollend gesinnt und ließen mich das oft genug merken. Abgesehen davon, fuhr die Kl[..?.]bahn, die ich zur Rückfahrt benutzen mußte, so unregelmäßig, daß ich gewöhnlich erst um 4 Uhr nachmittags zu Hause war. Aus all diesen Gründen denke ich an meine Schulzeit in Soest nicht gern zurück. Auch meine Arbeitsdienstzeit ist mir nicht leicht geworden. Doch sehe ich sie heute, wenn ich an sie zurückdenke, in ganz anderem Lichte als damals. Da ich in einem gut katholischen Elternhaus aufgewachsen war, umhegt und umsorgt von der Liebe der Eltern und Geschwister, war mir bis dahin das wirkliche Leben, brutal wie es sein kann, fremd geblieben. Ich kam in eine ganz andere Welt. Die nationalsozialistische Weltanschauung, die man uns einzuimpfen versuchte, die glaubenslose Umgebung, der preußische Militarismus, all das jagte mir oft Schauder über den Leib und erfüllte mich mit Überdruß. Trotz alledem betrachte ich meine Arbeitsdienstzeit insofern als einen Gewinn, als mich der Arbeitsdienst zu Ordnung und Zucht, zu Härte und Ausdauer, zu Hilfsbereitschaft und Kameradschaft erzogen hat. Meine Kameraden kamen meist aus den großen Städten des Ruhrgebietes, aus Gelsenkirchen, Wanne-Eickel, Bochum und Dortmund. Sie alle hatten ein hartes Leben hinter sich. Und manchmal erzählte mir einer aus seinem Leben, und ich lernte diese Menschen, die das Leben so streng in die Schule genommen hatte, zu achten, einige von ihnen auch zu lieben.

Ich verdanke der höheren Schule viel. Am meisten Freude und Gewinn auf geistigem Gebiet hat mir das letzte Jahr gebracht, indem ich wieder Schüler des Dreikönigsgymnasiums war. Ganz besonders zog mich Platons Ideen- und Unsterblichkeitslehre an. Im Deutschen habe ich Herrn Dr. Lakebrink viel zu verdanken. Durch ihn haben wir die Klassiker kennengelernt. Einen ganz tiefen Eindruck empfing ich durch die eingehende Besprechung von Goethes „Faust". Sein Unterricht fesselte mich außerdem durch die eingehenden Erörterungen über Philosophie. So habe ich einen kleinen Einblick in die Gedankenwelt des Aristoteles, des hl. Thomas von Aquin und anderer mittelalterlicher Scholastiker erhalten, in der letzten Zeit auch in die Philosophien Kants, Hegels und der Nominalisten. Im Laufe der Schuljahre habe ich viel gelesen, unter anderem die deutschen Klassiker, Shakespeare, Hölderlin, Droste-Hülshoff, v. le Port, [....?...] und Carossa. Weil ich immer große Freude an Musik und Theater hatte, habe ich, wo sich mir Gelegenheit dazu bot, Konzerte, Opern und Schauspiele besucht, darunter „die Zauberflöte", „der fliegende Holländer", „Zar und Zimmermann", „Fidelio", ferner „Othello", „Antigone" und Claudels „Seidener Schuh".

Die Wahl meines Berufes war für mich recht leicht. Da ich durch Familienbeziehungen die Aussicht habe, in verhältnismäßig kurzer Zeit eine gute Lebensstellung zu bekommen und mir mein künftiger Beruf in manchem zusagt, habe ich mich nach Aussprache mit meinen Eltern für das Studium der Volkswirtschaft entschlossen.

Abituraufsatz

Deutscher Prüfungsaufsatz.

Meine Vorstellung vom neuen Menschen.

Disposition:

A. Der deutsche Mensch in der Entscheidung.
B. Das neue Menschenbild:
1) charakterlich
2) geistig
3) Reihenfolge!religiös
4) politisch.

C. Dieses Menschenbild Z, eine Voraussetzung für die Rettung des Abendlandes.

A. Wir stehen heute vor einem großen Trümmerhaufen. Furchtbarer als das trostlose Gesicht unserer vernichteten Städte und Landschaften ist der seelische Trümmerhaufen, in den uns Adolf Hitler und seine Genossen versetzt haben. Wir müssen uns klar darüber sein, daß unser Volk seelisch und körperlich auf einem Tiefstand gekommen ist, wie er nie zuvor bei einem Volk herrschte. Erst aus dieser Erkenntnis der Katastrophe heraus, läßt sich ein Weg zu einem Aufstieg finden. s. Schluss!Der Wiederaufbau der zerstörten Städte und Dörfer, vor allem aber der seelische Wiederaufbau unseres Volkes, setzt ein neues Menschenbild voraus. Wie sieht das neue Menschenbild aus? nur?Vor der Beantwortung dieser Frage hängt das Schicksal unseres Volkes, vielleicht auch das des Abendlandes und der ganzen Welt ab.

B 1. Der Mensch von heute ist sittlich tief gesunken. Wenn man sich die Jugend ansieht, wie sie einem in Straßenbahnen, auf der Straße, im öffentlichen Leben und privat entgegentritt, kann man oft 15jährige mit langen Haaren, spitzen Fingernägeln, die Zigarette oder Pfeife im linken Mundwinkel, die Mütze verwegen über das rechte Ohr gerückt, bemerken. Hinter diesem Äußeren verbirgt sich Unnatürlichkeit, Sexualität, Kriminalität, Ehrfurchtslosigkeit und Lieblosigkeit. Ich wünsche mir den neuen Menschen charakterlich ganz anders. Er muß wieder natürlich werden, ehrlich und aufrichtig in seinem Wesen sein. Er muß innerlich und äußerlich ein anderer Mensch sein. Ich wünsche mir den Aneuen Menschen als einen Menschen , der von tiefer Ehrfurcht vor allem Geschaffenen, Wvor allem vor Gott, erfüllt ist. Er soll ehrfürchtig sein vor dem Menschen, als der Krone der Schöpfung, dem Tier, der Pflanze, aber auch vor den großen Schöpfungen des menschlichen Geistes, in denen sich ein Ged.Teil von Gottes Wesen offenbart. Die Ehrfurchtslosigkeit ist die Wurzel der ?größten Sünde, der Lieblosigkeit, die sich in allen möglichen Formen äußert. Der neue Mensch muß wieder lieben können, lieben aus allen Fasern des Herzens. Er muß die Frohbotschaft der Liebe gehört haben, mit der der Engel zu Maria sprach: „Gegrüßet seist du -". Er muß von der Liebe Gottes erfüllt sein und diese Gottesliebe weitertragen und weiterschenken an seine Mitmenschen.

B2. Der alte Mensch ist verbildet oder ungebildet. Darum war der Nationalsozialismus nur möglich. Weil in unserem Volke nur wenige Menschen waren, die Intelligenz und Mut besaßen, um die Verderbtheit des Nationalsozialismus zu erkennen und zu bekämpfen, hatte er leichtes Spiel. Der neue Mensch muß wieder die nur?primitivsten Gedankengänge denken lernen. Die Welt des klassischen Menschen muß ihm geöffnet werden. Jeder?Er soll etwas von Platon, Aristoteles, Homer, Cicero, Vergil, Augustinus wissen, muß Ged. + Aauch schon einmal die Namen Thomas, Bonaventura, Albert von Köln gehört haben. Der neue Mensch soll etwas von der mittelalterlichen Kaiserherrlichkeit, von der Zeit der Salier und Staufen kennen. Ich wünsche, Satz!daß er einen Hauch abendländischer Humanität, wie Goethe sie in seiner Iphigenie dargestellt hat, verspürt und dem Klang der Ode an die Freude, die Schiller gedichtet und Beethoven inTöne gesetzt hat. Der neue Mensch soll wenigstens einige Gedichte von Hölderlin und Novalis gelesen haben. Auch soll er Bekanntschaft mit guter Musik Gwie die von Beethoven, Bach, Händel, Mozart machen. Schließlich wünsche ich ihm, daß er philosophisch denken lernt. Dies alles Wwünsche ich{ ihm als AGegengewicht gegen die einseitige Betonung der Naturwissenschaften, vor allem der Mathematik und Chemie. Gewiß sind die Naturw. nötig, doch haben sie sich meiner Meinung nach den anderen Wissenschaften unterzuordnen. Wer mathematisch denken kann, ist noch lange kein vollwertiger geistiger Mensch. Vielmehr wird eine geistige Existenz nur durch eine Harmonie beider Richtungen erreicht. Schließlich wünsche ich den neuen Menschen so, daß er sich daran gewöhnt, über die Dinge des Lebens nachzudenken und allem, was ihm entgegentritt und geboten wird, kritisch abwägend gegenüberzutreten.

B3. Die religiöse Verkommenheit des heutigen Menschen ist fast unbeschreiblich. Während die Nationalsozialisten die Konfessionen unterdrückten, haben wir jetzt Religionsfreiheit. Trotz der furchtbaren Not, in der wir auch noch jetzt Z, nach dem Krieg, leben, scheint es, als ob unser Volk, Gtrotzdem es jetzt Gelegenheit zu religiöser Betätigung hat, nichts gelernt hat. Das Grundübel, an dem wir leiden, ist die Abkehr von Gott. Trotz der Not gibt es viele, die noch immer kein Verlangen nach ihm tragen. In weiten Kreisen herrscht erschreckende Unwissenheit in religiösen Dingen, Gleichgültigkeit, ja sogar Verachtung für sie. Ich wünsche mir den neuen Menschen als religiösen Menschen. Gerade die Not soll ihn veranlassen, neue Bindungen zu Gott zu knüpfen. Er muß wieder mit den einfachsten Glaubenswahrheiten vertraut werden, religiöse Bücher, vor allem die Bibel, lesen, Vorträge und Predigten hören, sich aktiv am Leben der Kirche beteiligen, kirchlichen Organisationen beitreten. Weit wichtiger als die äußere religiöse Betätigung des neuen Menschen erscheint mir die innere. Der neue Mensch muß wieder den Glauben an einen persönlichen Gott finden, der die Welt und den Menschen erschaffen hat, sich immer um sie kümmert, der sie erlöst hat aus ihrer Schuld und der die Menschen, vielleicht auch das Tier, zur Auferstehung berufen hat. Der neue Mensch muß erkennen lernen, daß alle Dinge und alles Geschehen nicht Werke des Zufalls sind, sondern ihren Sinn durch Gott erhalten. Der neue Mensch, wie ich ihn mir mit heißem Herzen ersehne, muß wieder ein persönliches Verhältnis zu Gott bekommen; er soll lernen Z Amit Gott über alle Dinge, auch über die letzten und tiefsten, sprechen zu können . Schließlich soll sein ganzes Leben eine große Zwiesprache mit Gott sein.

B4. Als letzten APunkt möchte ich noch die Politik erwähnen. Nach der Herrschaft der Nationalsozialisten haben die Besatzungsmächte uns die Demokratie beschert. Es herrschen jetzt viele Mißstände, denn unser Volk hat größtenteils noch nicht politisch denken gelernt. Auch ist die Demokratie, wie sie in den angelsächsischen Ländern und in Rußland ausgeübt wird, nicht ohne weiteres für deutsche Verhältnisse anwendbar. Ich wünsche mir den neuen Menschen auch als politisch fähigen Menschen. Hoffentlich hat er aus der Vergangenheit gelernt. Schon gesagt!Unter den politischen Fähigkeiten muß der neue Mensch aber auch die notwendigen charakterlichen, geistigen und religiösen Voraussetzungen mitbringen, die ich beschrieb

C. Es ist schwer, Ged.vorauszusagen, wie der neue Mensch weiterhin aussehen solle . Jede Zeit hat ihre eigenen Bedingungen und schafft danach den Menschentypus, der ihr mehr oder weniger gewachsen ist. Dadurch hebt sie sich von den anderen Perioden der Weltgeschichte ab. Aber das glaube ich mit Sicherheit voraussagen zu dürfen: Wenn der neue Mensch nicht so wird, wie ich ihn zu zeichnen versucht habe, hat Oswald Spengler recht, wenn er vom Untergang des Abendlandes spricht.

Der kritische Charakter des neuen Menschen wird nur gestreift. Im übrigen aber hat der Verf. sich mit Eifer des Themas angenommen. Was er sagt, kommt aus warmen Herzen. Der Satzbau ist nicht immer korrekt. Jahresleistung gut.Mit Einschränkung gut