DKG (Köln)

Gesamtbeurteilung der Oberprima (Gymnasium) 1933

Gesamtcharakteristik der OIg.

Die Klasse besteht fast nur aus Schülern, die ihre ganze Gymnasialzeit an der hiesigen Anstalt verbracht haben; nur wenige sind von auswärts hinzugekommen, und diese haben sich an den bewährten Stamm recht gut angepasst. Die Klasse hat - mit geringfügigen Ausnahmen - sich durch ein gutes Verhalten ausgezeichnet. Was die Begabung angeht, so ragen nur wenige, und auch diese nicht übermässig, über ein gutes Durchschnittsmass hinaus. Die Mitarbeit in der Schule und die häusliche Tätigkeit zeugten im allgemeinen von gutem Willen und ehrlichem Fleiss. Demgemäss bestand zwischen der Klasse und sämtlichen Klassenlehrern stets ein gutes, herzliches Einvernehmen.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1933

1.) „Oh, ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt!“ (Hölderlin.)

2.) Was erwarte ich von meinem zukünftigen Berufe?

3.) Wie sich meine Lieblingslektüre im Laufe meiner Entwicklung wandelte.

4.) Großstadtreklame.


Beurteilung

Oberprimaner F., Jakob

Er arbeitet mit zwei Geschistern zusammen in einem Raum. Sein Gedächtnis ist besser entwickelt als sein Verstand. Am liebsten beschäftigt er sich mit Musik und technischen Dingen. Auch liebt er Mathematik und Geschichte, mehr schöngeistige als philosophische Stoffe. Er war ein eifriges Mitglied der Neudeutschlandgruppe und des Schülerorchesters und beteiligte sich an einer musikalischen und einer deutschen Arbeitsgemeinschaft. Im schriftlichen Ausdruck ist er eintönig und trocken, im Verkehr gesellig und unterhaltend und von liebenswürdiger Frische. Auf UII war er Sprecher seiner damaligen Klasse, der er, nachdem er auf UI sitzen geblieben war, seine alte Anhänglichkeit bewahrte. Erst auf OI trat er in ein nahes Verhältnis zu seiner jetzigen Klasse.

Lebenslauf

Hierdurch bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1933.

Ich wurde geboren am 1. August 1913 in Bernut, Regierungsbezirk Danzig, im ehemaligen Westpreußen.

Meine Eltern sind Rheinländer, und waren erst seit 1912 oben im Osten, im sogenannten polnischen Corridor. Alle Deutschen, die diesen Landstrich bewohnten, hatten eine große Aufgabe zu lösen. Mitten in einer polnisch sprechenden und polnisch denkenden Bevölkerung mußten sie unsere deutsche Eigenart bewahren. Eine schier unmögliche Aufgabe! Wir bildeten ja nur eine dünne Oberschicht, und hatten ganz vernachlässigt, deutsche Bauern als bodenständiges Volkstum in diesem Landstrich anzusiedeln. Polnisch war die Umgangssprache, polnisch die Hauptschulsprache, polnisch waren die Predigten, deutsch war nur die Sprache der Canzleien. So blieb es nicht aus, daß wir alle die polnische Sprache erlernten. Wie man mir später erzählte, beherrschte ich weder das polnische noch das deutsche vollständig, vielmehr sprach ich ein Gemisch aus beiden. Darum machte es mir, als ich ins Rheinland kam, ungeheure Schwierigkeiten, reines, klares Deutsch zu bilden. Die Mängel meiner Sprache, die in meinen ersten Lebensjahren entstanden, ließen sich nicht ganz verwischen, und noch bis heute mußte ich unter ihnen leiden.

Auf Grund des Versailler Vertrages mußten wir dann kurz vor der Abtretung an Polen Westpreußen verlassen, und uns anderswo im deutschen Reiche einen Wohnsitz suchen. Wir kamen, wie schon erwähnt, ins Rheinland, und zwar nach Cöln.

Hier beginnt meine eigentliche Lehrzeit. Nach vierjährigem Volksschulbesuch schickten mich meine Eltern aufs Dreikönigsgymnasium in Cöln. Wie schon zur Zeit der Grundschule, so waren auch in den ersten Jahren auf der höheren Schule meine Tage fast ausschließlich mit der Arbeit für die Schule erfüllt. Fast alle Fächer interessierten mich. War es nun aus Neigung, Begeisterung, oder eben nur, weil es so sein mußte, ich weiß es nicht recht. Jedoch weiß ich, daß diese Flamme erlosch, als ich ein Betätigungsfeld außerhalb der Schule fand, in der Jugendbewegung.

In diesen Jahren durfte ich auch das Violinspiel erlernen. Ich muß gestehen, anfangs war es mir eine Qual, zur Stunde zu gehen. Ja es kam sogar soweit, daß ich eine Zeitlang aussetzte, doch schließlich - ich war schon 14 Jahre alt - kam meine große Neigung zur Musik zum Durchbruch. Meine Violine, später auch Clavier und Laute, wurden mir liebe Gefährten, die ich nicht mehr missen mochte. Sie halfen mir über manche schwere Stunde hinweg, aber ihnen galt auch manche frohe Stunde.

Und eine zweite Leidenschaft bahnte sich in dieser Zeit an. Es war der Hang zum Technischen, zum Mathematischen. Habe ich schon von klein an gerne mit Steinbaukästen und Märklin gespielt, jetzt zeigte sich erst recht meine Begabung. Ich arbeitete genauer, ich baute die schwierigsten Sachen. Später bastelte ich sogar Radio, legte allein elektrische Anlagen, und vor einigen Jahren fertigte ich mir große lineare Zeichnungen von Bauten und Apparaten an.

Wie schon gesagt, gestatteten mir meine Eltern, und zwar zu Beginn der Quarta, dem Neudeutschen Bunde beizutreten. Hier lernte ich eine ganz andere Welt kennen. Heimabende, Spiele, Fahrten, überhaupt das gemeinsame Zusammenleben begeisterten mich derart, daß Neudeutschland meine zweite Heimat wurde. Diesem Bunde verdanke ich vor allem meine innere Entwicklung. In den Heimabenden sprachen wir über Technik und Cunst, lasen vor aus schönen Büchern, sangen, musizierten, spielten miteinander, und sprachen wieder von unserem Volke, unseren Mitmenschen, über unsere Selbsterziehung. Sonntags gingen wir auf Fahrt, um uns auszutollen, aber auch um unsere Heimat kennenzulernen. Und erst auf den großen Fahrten! Andere Landschaften sahen wir, anderen Menschen lauschten wir. Einmal war's im Taunus, im Hunsrück, dann in Brandenburg und Ostpreußen, wieder ein ander Mal im Schwarzwald, im Thüringer Wald, in den Alpen. Wie oft zogen wir hinaus in die Eifel, in den Westerwald, zur Mosel, ins Bergische Land. War's nur der Wissensdrang, das Erlebenwollen, was mich hinausführte? Nein, vielmehr die ungeheure Liebe zur Natur, die mich schon früh auf beseelte. Nur mit einigen Cameraden aber ganz allein draußen zu leben war und ist mir auch heute noch ein großer Genuß.

Aber noch etwas anderes, viel wichtigeres fand ich dort im Bund. Die Idee, der ich nachstrebte, ein echter katholischer Mensch zu werden, verwurzelte sich sehr stark in meinem Inneren. Und geadelt wurde dieses Streben durch unsere selbstlose Cameradschaft, durch unser gegenseitiges Geben und Nehmen.

Doch eines hatte ich ganz vergessen, meine Pflichten für die Schule zu erfüllen. Ja Schule wurde mir gleichgültig, nebensächlich - Unterprima mußte ich zweimal durchmachen. Und erst jetzt gegen Ende meiner Schulzeit habe ich wieder aufgeholt, was ich vernachlässigt.

Wenn ich nun einen kurzen Rückblick auf meine Schulzeit werfe, so muß ich sagen, es war eine schöne Zeit. Abgesehen von den unvermeidlichen Schülerwitzen und Schülerstreichen, haben mir auch manche Stunden viel Freude bereitet. So waren mir Musik, Mathematik, die Naturwissenschaften und die Geschichte immer die angenehmsten, die liebsten Fächer, ich möchte sagen, es war deshalb, weil es, wenn ich sie mal so nennen darf, meine Begabungsfächer sind. Den Sprachen war ich im allgemeinen weniger hold. Aber auch hier fand ich einige Schriftsteller, die mir außerordentlich zusagten. Es waren die Lyriker Catull, Properz, Alkaios, Sappho, Sophokles in seinen Chorliedern, und meine beiden liebsten, Horaz und Homer. Horaz, der sein ganzes Wesen offen und ehrlich in den „sermones" vor uns ausschüttet, Homer, der so lebendig und spannend erzählt.

Und erst, was meine Muttersprache mir alles Schöne bot, das aufzuzählen würde zu weit führen. Nur das will ich erwähnen, was mich durch seine Schönheit, seine unendliche Wahrheit und seine Charakterisierung am meisten gepackt hat: Göthes[!] Faust.

Meine Berufswahl kann ich leider nicht nach meinen Veranlagungen treffen, ich werde die mittlere Beamtenlaufbahn ergreifen.

Wahlfach ist Mathematik.

Mein Religionsbekenntnis bitte ich zu vermerken.

Abituraufsatz

Deutsche Prüfungsarbeit.

Großstadtreklame.

Großstadtreklame! Was steckt nicht alles hinter diesem einfachen Wort Z. ! od. ?. Allein schon, wenn ich an eine Großstadt denke, eine Großstadt, in der sich das gesamte wirtschaftliche, politische, geistige, ja das ganze Leben trifft, in der man alles finden kann, was man sucht, angefangen von Einfachsten bis hinauf zum R. tAusgeklügelsten . Ein Nachsatz fehlt!_ Und so ist auch ihre Reklame. Einfaches findet sich neben dem Gr. ? Ein Versehen, s. folg. Zeile.Außergewöhnlichem , Schlichtes neben dem Aufdringlichen, alles nebeneinander und durcheinander. Einfache, stilvolle Schaufensterausstellung neben dem kitschigen Zeug. Gleißender Schein ihrer Lampen, schreiendes Papier, mit dem Fenster und Häuser verklebt sind, neben der ruhig wirkenden Reklame. Und erst die Krone großstädtischer Reklameschöpfung, die gemeinsame Reklame eines ganzen Stadtteils, eine Reklame, die leider jeden Stil beiseite schiebend, nur aus kaufmännischem Geist entstanden, dem ganzen Stadtteil ein besonderes Gepräge gibt.

Gehen wir nun einmal durch eine einzige Straße eines solchen Stadtteils, und wir sehen Der Aufg. gemäßer: das ganze Wesen der G.st.reklame.die ganze Großstadt vor uns. -

- Von weitem hört man schon den Lärm, der aus ihr dringt. In dem Getute der Autos, dem A. LäutenSchellen der Elektrischen, dem Klappern eines alten Karrengauls ist es nur ein einziges großes Durcheinander, das an meine Ohren klingt. Ich gehe auf den Lärm zu. Einige Brocken kann ich schon heraushören, wie: „...itta...", „...nische-Zei...", „...itta...", ...liner". Ich weiß noch nicht, was das soll; immer lauter höre ich die Brocken. Jetzt, ganz nahe bei meinem Ohr. Und da sehe ich es schon. Es sind die Zeitungsverkäufer und kleinen Boys, die ihren „Mittag, Kölnische-Zeitung", wieder den „Mittag" und die „Berliner Illustrierte" der hastenden Menschheit anpreisen. - Kindlich!Ja, aber man weiß ja garnicht, ja wer ist denn der „Mittag", wer die „Kölnische-Zeitung", wer die „Berliner Illustrierte" ? Ich schaue mir die Schreier näher an. Mein Gott, was sehe ich! Überall, an der Schirmmütze, an den Litzen, auf den Schultern, auf dem Rücken, weiß Gott, wo noch mehr, überall hat man ihnen den Namen ihrer Zeitung aufgeklebt. Ich mußte lachen. Gehe auf einen zu, und ...

Tüt, tüt! Ein Auto! Ich springe schnell zur Seite auf den Bürgersteig, stehe vor einem Schaufenster. Ist es da aber hell! Sanftes, weißes Licht strömt aus allen Ecken des großen Ausstellungsraumes auf die vielen, vielen Metall- und Glasartikel, die dort liegen, schön geordnet und stilvoll. Künstlerarbeit ist es, die man hier ausgestellt hat. In stiller Ruhe liegen die Arbeiten im Schein der unsichtbaren Lampen. Nichts Aufdringliches, nichts Aufreizendes, nein, ein ästhetisch schöner Anblick ist es; dort sein Auge ruhen zu lassen eine Wonne.

Und weiter gehe ich. Aus dem geöffneten Fenster eines KaffeehausesCafés tönt melancholisch der Gesang einer Geige an mein Ohr. Kaum einige Schritte weiter schrillt ein Lautsprecher, die neuesten Nachrichten unter die sich stauende Menschenmenge werfend. Und so ganz nebenbei bemerkt der ein oder andere: „Aha, hier ist ja die Firma Schmitz & Co, gut, daß ich das weiß."

Immer weiter dringe ich in das Großstadtherz ein. Man meint, es wäre heller Tag, so verdeckt das Licht die Nacht.

Ja Licht, überall Licht, Es ist der große Schlager der modernen Reklame, Platt.der aufdringlichste Faktor, der auf unsere Pupillen wirkt . Naiv und den Zus.hang zerreißend.Radioreklame ist, glaube ich, noch im Entstehen. Das Licht überflügelt hat sie noch nicht . Ohne Sinn, da von der Lichtreklame gesprochen wird.Und gar eine Reklame ohne Licht. Heute schier undenkbar . Seltsamer Satzbau, und Sinn unklar.Erst seine Wirkung, ganz abgesehen davon, daß es das Papier und die Farbe totsieht ! Mit einem Schlage stehen zwei, drei, vier, ja oft ein ganzes Sinn? Lichtnamen od. Namenschilder?Dutzend Namen in unserem Auge . - Unsinn!Denn Namen sind heute das Stichwort für eine ganz bestimmte Ware . - Und das ist Phrase!Licht ist das warme, lebendige Etwas, das uns mehr als jedes andere Mittel gefangen hält .

Und schaue ich auf A. Höchst unbeholfen!das andere, das was auch am Tage die Reklame ausmacht , so sehe ich ??nur Papier, Farbe und Attrappen. Alles in den krassesten Tönen. Mit großen Lettern A.schreit jede Firma dem Vorübereilenden ihre Ware oder ihren Namen an , aber sie Großstadtreklame!?ruft ihm auch zu, daß augenblicklich Inventur-Verkauf sei . So vielseitig und so gehäuft kommen diese Worte, Ausdruck u. Sinndaß man unmöglich alle behalten kann, aber es ist auch unumgänglich, daß der ein oder andere Name in eines jeden Gedächtnis bleibt .

Ich komme an eine Straßenkreuzung. Der Arm eines Schupo heißt mich warten. Eine Straßenbahn fährt vorüber. Und noch eine. Aber was ist das? Ganz gelb verkleidet ist der Wagen, nicht einmal der Führer ist zu sehen. Nur das Weiß der Zigaretten, die auf jedem Trittbrett stehen, und der weiße Name unterbricht das Gelb. Ein jeder schaut hin und R.ließt „Borg".

A.Und weiter geht's . Wieder Aufgabe?Lautsprecher, wieder leis verrauschende Klänge einer Jazzkapelle . Dazwischen der A. Was wird „aufgerieben"? Der Lautsprecher?aufreibende Gesang, der aus einem Kino durch Lautsprecher der Außenwelt mitgeteilt wird. !Da gibt's Plätzchen . „Schoko-Buck" oder wie die Firma heißt, verteilt an die Vorbeigehenden eine Probe ihrer Erzeugnisse.

Wiederholg.Hier wieder Häuser mit schreiender Reklame, da unauffällige Geschäfte. Hier brüllen Lautsprecher, dort stumme Attrappen . Alles ein großes Nebeneinander und Durcheinander.

Wann? Immer?Jede Straße hat ein anderes Kennzeichen. Hier ist es Flitterkram, dort Engel , die quer über die Straße gespannt sind, da wieder elektrische Birnchen quer über die Straße.

Aber alles ist ein Nichts gegen den König der Reklame, das Licht. Es überflutet alles andere, ist eindringlicher als jede noch so schreiende andere Reklame. Es beherrscht die Nacht und kann Wiederholg.in Wahrheit als König der Reklame bezeichnet werden.

Inhalt: Die Einkleidung der Aufgabe in ein sogenanntes Erlebnis ist, wenn auch nicht grundsätzlich, in dieser Form unannehmbar. Der Aufsatz ist ein großes Durcheinander - ohne den Versuch einer Gedankenordnung - von oberflächlich gesehenen Bildern. Er genügt den Anforderungen nicht.

Form: Unbeholfen-kindlicher Stil, oft sinnloses, gemachtes Erstaunen, gehäufte Nominalsätze. Der Sinn ist oft unklar, der Ausdruck unfähig. Einige Verstöße gegen Grammatik, Rechtschreibg. und Zeichensetzung ergänzen das ungünstige Bild.

Nicht genügend.

Klassenleistungen: ggd.(-)