DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1932

1.) Vom Brief und vom Briefschreiben

2.) Mein Verhältnis zum Roman und zum lyrischen Gedicht

3.) Bericht über eine öffentliche Veranstaltung (Versammlung, Konzert, Schauspiel, Vereinsfeier oder dergl.)

4.) Vergessen und Vergeßlichkeit (Erlebnis, Charakteristik oder Abhandlung)


Beurteilung

M., Berthold

ist ein stiller, strebsamer, insbesondere für die alten Sprachen sehr gut veranlagter junger Mensch voll Ehrgefühl und Gewissenhaftigkeit. Es ist ihm nicht ganz gelungen, eine festere Fühlung mit seinen Mitschülern zu gewinnen, weil ihn jedes laute Wesen abstösst und weil er sehr gern für sich mit seinen Büchern ist. Zeitweise hat er mit sich um seine Berufswahl ringen müssen. Seine Leistungen waren seinen Anlagen entsprechend in den meisten Fächern gut.

Lebenslauf

Ich wurde am 26. Juni 1913 als Sohn des Volksschullehrers Edmund M. in Köln-Nippes geboren. Nach vierjährigem Besuch der Volksschule trat ich Ostern 1923 in die Sexta des Staatlichen Dreikönigsgymnasiums ein. Schon in den drei ersten Jahren zeigte sich bei mir eine besondere Neigung für zwei Fächer, für Latein und Erdkunde. In meiner Freizeit las ich zumeist in Erdkundebüchern, Reisebeschreibungen, oder ich machte eigene "Entdeckungsreisen" in meinem Atlas. Die Vorliebe für Latein entstammte einerseits dem Ehrgeiz, in dem wichtigsten Fache des Gymnasiums mehr zu leisten als in den übrigen Fächern, anderseits aber auch einem ausgesprochenen Sinn für Schönheit der Formen und Wohllaut der Sprache. Es war wohl neben dem Anraten meiner Eltern auch der Hauptgrund, daß ich mich entschloß, den humanistischen Zweig des Gymnasiums zu wählen. Über die Ziele dieses Bildungsweges war ich mir damals noch nicht klar. In den nächsten Jahren erweiterte sich mein Interesse. Ich sah in Latein und vor allem in Griechisch nicht mehr das Sprachfach, das Schulfach, sondern die Sprache und das Leben der Antike. Meine Lieblingslektüre wurden neben dem Geschichtsatlas Erzählungen über Sitten und Leben der Alten, wie z.B. die Romane Quo vadis, Fabiola, Die letzten Tage Pompejis u.a.

Bis dahin hatte ich mir noch niemals Gedanken gemacht über das Verhältnis der Schule zur Umwelt, über die Beziehungen zwischen dem, was ich lernte und womit ich mich beschäftigte, und dem, was mich täglich umgab. Die erste Anregung zu solchen Gedanken bot Eichendorffs Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts". Das Leben eines glücklichen, jungen Menschen, der ein aufgeschlossenes Herz für die Schönheit der Natur hat, hinterließ bei mir einen nachhaltigen Eindruck. Ich lernte Freude zu haben an dem Wald, an der schönen Landschaft. Ich begann, inneren Anteil zu verspüren an dem Leben und den Vorgängen der Natur. Hermann Löns und Adalbert Stifter wurden meine Lieblingsdichter. Es erwachte aber auch das Bedürfnis, an den Geschehnissen des Alltags teilzunehmen. Ich begann, die Zeitung zu lesen und mich mit politischen und wirtschaftlichen Fragen zu befassen. Trotzdem war mein Interesse an der Altertumswissenschaft nicht geringer geworden. Aber ich litt in den letzten Jahren sehr unter der vermeintlichen Inkonsequenz meiner Weltanschauung und Ziele. Ich glaubte nämlich, daß sich die Liebe zur Natur, zur Ästhetik nicht vereinigen lasse mit der Neigung zur Antike, vor allem zur lateinischen und griechischen Sprache. Hinzu kamen Fragen über einen zukünftigen Beruf, Fragen, die sich nicht nur auf den Beruf als Erwerbsmöglichkeit, sondern auch auf die edle Erfüllung eines Berufes in der heutigen Notzeit, auf meine moralischen und religiösen Pflichten gegenüber der Menschheit bezogen. Es waren Jahre schweren Ringens. Um eine Lösung zu finden, näherte ich mich - besonders im letzten Jahre - den Kreisen in meiner Klasse, die einer katholischen Jugendbewegung angehören. Ich teilte mit ihnen die Aufgeschlossenheit für das Schöne in der Natur, die Abneigung gegen die Formalitäten unserer heutigen Gesellschaft, gegen Pedanterie und Bürokratismus und vor allem die katholische Aktivität. Aber der starke Subjektivismus, der sich bei einigen von ihnen in übersteigerter Form zeigte, erfüllte mich mit gewisser Skepsis. Ich zog mich wieder zurück, weil ich in diesem Subjektivismus die Gefahr einer Ehrfurcht- und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Menschen zu sehen glaubte, die die Jugend leiten wollen, aber nicht mehr jugendlich denken und handeln können. Ich kam aber bald zu der Erkenntnis, daß sich die Vorliebe zur Antike und der Sinn für ästhetische Vertiefung und Verinnerlichung der Natur wohl verbinden lasse; denn ich erfaßte, wie tief die alten Griechen mit der Natur in Einklang standen, und wie groß ihre Erkenntnis der hohen, natürlichen und sittlichen Kräfte im Menschen war. Eine Gegenüberstellung des seelenlosen Fatalismus in Hauptmanns Fuhrmann Henschel und der kraftvollen Sittlichkeit und dem Ideal griechischen Menschseins in Goethes Iphigenie gab mir den letzten Anstoß, mich dem Studium der ethischen Weltsendung des Griechentums zu widmen. Ich hoffe, daß ich durch die Verbindung griechischer Natürlichkeit und sittlicher Größe einerseits und christlicher Pflichten gegenüber der Menschheit anderseits mein seelisches Glück finden werde.

Aus diesen Gründen heraus habe ich mich entschlossen, mich dem Studium der Altphilologie zuzuwenden, wenn es die Umstände der heutigen Notzeit zulassen.