Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 3. September 1939

3. Sept. 1939

Liebe Elsbeth!

Zu allererst nimm mit Dorotheechen die allerherzlichsten Grüße.

Morgen ist der erste Tag, an dem Post befördert wird. Wir liegen gerade, da es regnet, in einer Scheune.

In dem Ort, wo wir bis jetzt waren, war es wirklich nett. Es herrschte eine sehr gute Kameradschaft und besonders mit einem jungen Kerl habe ich mich besonders angefreundet - Karl Heinz Senz. Er ist nicht aus unserer Gegend und will mal gerne nach Godesberg. Ich habe ihn schon zu einem Besuch eingeladen. Ich will jetzt mal eben

so verschiedenes erzählen, was mir gerade einfällt. Mit meiner Fahrt nach Bonn war es eine Himmelfahrt. Patschnass geschwitzt kam ich da an, als schon alles vom Sammelplatz weg war. Dann in einem Schweinetrab zum Güterzug gelaufen, wo ich noch kurz vor Abfahrt ankam. Die Bahnfahrt dauerte ungefähr 2 Stunden. Ich traf da auch den Herrn Roberts und noch andere Godesberger. Am Bestimmungsort wurden wir zuerst eingekleidet, wobei jeder bemüht ist, neue und gute, passende Brocken zu bekommen. Es gab da ulkige Szenen, z. B. wenn der Soldat von der Kammer einfach sagte „paßt“ und der neue Soldat aber ganz anderer Ansicht war. Dann kamen sie aus der Kammer, auf dem Kopf das

Schiffchen, Drillichrock, Zivilhose, einen Stiefel u. einen Halbschuh an und das andere Zeug über dem Arm. Da gabs viel Gelächter zuerst.

Unser Essen ist gut. Die Gulaschkanone kocht allerdings gezwungenermaßen immer Eintopf, aber immer lecker gewürzt mit ziemlich viel Fleisch. Sonst, für morgens und abends gibts auch immer reichlich Büchsenfleisch, Käse usw.

Die Gegend hier ist einfach herrlich. Wir sind auch schon mal auf einer Radtour hier vorbeigekommen, Wälder, Berge u. Täler, ab und zu ein kleines Dorf oder ein Bauernhof.

Hab' nur keine Sorge um mich. Wir leben hier wie in Ferien. Gute Luft, immer im Freien, Bewegung. Vom Krieg

hören wir hier nichts.

Also nochmals liebe Elsbeth, sei nur beruhigt und erhole Dich weiter recht gut, damit ich, wenn ich schließlich mal in Urlaub käme, wieder ein gesundes herziges Frauchen anfinde. Das heißt, herzig bist Du ja immer, ich meine jetzt hauptsächlich gesund.

Schreiben kannst Du an mich unter der Anschrift:

Soldat Johannes Ließem
Feldpost-No. 11593
Postsammelstelle Frankfurt.

Schreibe mir doch bitte mal sofort, was Du und Dorotheechen und die Eltern machen. Wer ist von der Adler noch eingezogen? Ist Meck auch weg und Mattes u. Franz? In der Scheune ist es mittlerweile so dunkel geworden, daß ich keine

Linien mehr sehen kann. Ich schließe daher mit nochmals einem herzlichen Gruß und einem festen Kuß. Wenn du mir schreibst, füge ein paar nette Bilder von Dir und Dorotheechen bei.

Auf Wiedersehen in Treue
Dein Hannes

Es handelt sich um eine Feuerversicherung, den Arbeitgeber von Johannes Ließem.
Der Verlobte von Johannes Schwester.
Brüder von Elsbeth Ließem