Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 14. Oktober 1940

14. Oktober 1940

Meine liebe, herzensgute Elsbeth!

Heute bekam ich, da gestern ja „n'a plus“ war, 2 Briefe; und so schöne dazu. Ach, ich möchte Dich jetzt so beim Kopf nehmen und Dir in den Haaren herumwuscheln. Und ich möchte Dich herumwirbeln, liebhalten, auf meinen Armen herumtragen, d. h. wenn das bei Deiner enormen Gewichtszunahme noch möglich ist, Dich an mich und mich an Dich ganz fest drücken und Dich wieder küssen und dann von vorn anfangen. Bis wir dann mit leuchtenden Augen und fliegendem Atem uns zusammen irgendwo hinlegen würden, wo wir dann „ruhig“ nebeneinander liegen würden.

Also, unsere Fahrt mit der Gig (Spieß, Chef und ich), von der ich Dir gestern schrieb, ging durch einen schönen, herbstlichen Nachmittag zu einem Großgrundbesitzer (600 Morgen Land).

Es war ein netter Nachmittag und für mich mal eine Abwechslung. Es ist ein riesiger Hof. Ein großes, gediegenes Wohnhaus mit behaglichen Möbeln, netten, gediegenen Gutsbesitzersleuten und einer netten, feinen Tochter, ungeschminkt und mit ungefärbten Fingernägeln.

Heute habe ich an Dich abgeschickt: 3 Päckchen, eins mit Kaffeebohnen u. Schokolade, eins nur mit Schokolade und eins mit einer Taschenlampe und einer Ersatzbatterie. Hast Du das Fensterleder noch nicht bekommen? Ich habe Dir ein schönes, großes geschickt. Schreibe mir doch bitte, ob Du noch alles erhälst. Ebenfalls habe

ich vor einigen Tagen Persil wieder geschickt.

15. 10.

So, nun habe ich doch nicht mehr den Brief wegbekommen. Ich habe mich mal wieder derart über den Chef aufgeregt, daß ich nicht fähig war, den Brief gestern abend zu Ende zu bringen. Fast zwei Stunden habe ich nur Zigarren bekommen, aber nicht welche zum Rauchen. Erst war ich schuld, daß es dem Chef nicht warm genug war. Der, der sonst die Heizung bedient, war eine Stunde ausgegangen und hatte dadurch die Heizung etwas beibrennen lassen. Dann war was mit der Sanitätsstube, die mich ja auch eigentlich nichts anging. Dann kam der Heizungsmensch nicht sofort wieder, konnte auch nicht gefunden werden, dann dies und das, einmal mit einer Zange, dann mit der Garagentür usw. Wenn ich auch selbst mit diesen Sachen nichts zu tun habe, müsse ich doch als Uffz. aufpassen. Nur nicht, daß Du das der Frau Wegener erzählst. Aber heute morgen war wieder leuchtender Sonnenschein am Horizont des Gewaltigen und alles ist vorüber. Das lernt man ja, eine Faust in der Tasche machen und lediglich „jawohl“ zu sagen, auch wenn einem der Kopf dabei rot anläuft und man gern etwas anderes sagen möchte. (Erziehung zur Selbstbeherrschung.)

Aber nun davon Schluß, denn im allgemeinen verstehe ich mich ja ganz gut mit dem Chef.

Nun lieber zu dem „ch“ aus dem „Rätsel“. Also, Du weißt nicht, was ein exotisches Tier ist, das Fliegen fängt. Aber so leicht will ich es Dir auch nicht machen. Du sollst wenigstens die unterstrichenen Buchstaben im Nachfolgenden zusammensetzen. Mein liebes Frauchen. Ich hab Dich ja so lieb und stelle mir vor, wie Du jetzt anmutig im schönen Hausanzug auf der Couch liegst und an das liebe Mannchen denkst. Mir geht es ja ähnlich und ich möchte am liebsten mich neben Dich legen und Dir

etwas Schönes ins Ohr sagen. Und mit meiner Hand all die schönen Stellen streicheln und Dir gut sein und Dich gern haben.

Wie herrlich male ich mir schon jetzt meinen nächsten Urlaub aus. Was wir da alles vor Freude anstellen werden. Ich darf gar nicht daran denken. Dann versinkt alles, was man hier an Ärger usw. hat, in einen tiefen Abgrund und alles wird von Deiner Liebe zugedeckt. Was die Liebe nicht alles fertigbringt, nicht wahr, meine liebe, liebe, gute Elsbeth. Ich bin ja so glücklich und ich brauche nur an Dich zu denken, dann bin ich froh und nichts kann mir etwas anhaben. Ich küsse Dich ganz innig auf Deinen schönen und lieben Mund und die Stellen schönen herzlichen Knöspchen an Deiner Br.(!).

Ich bin immer Dein Dich innig liebender
Hannes

Gruß an den lahmen Mann bei Maaßens