Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 29. Januar 1940

29. Jan. 1940

Liebes Frauchen!

Ich dachte schon immer, weshalb Du nicht schreibst. Und auf einmal kommen nun gestern 5 Briefe von Dir auf einmal an. Darunter auch das Paketchen. Herzlichen Dank dafür.

Gestern habe ich mit dem Spieß wieder mal einen herrlichen Spaziergang gemacht. Es ist fast unglaublich, wie schön der Winterwald hier ist. Wir sahen auf einem langen Hang Skifahrer. Ich kann Dir sagen, die sausten mit einem Tempo den Berg herunter, daß einem beim Zuschauen Hören und Sehen verging.

Daß Dorotheechen so lecker war vor einigen Tagen, freut mich recht sehr. Hast Du doch dadurch wenigstens etwas Freude. Stell Dir vor, wir hätten das leckere Busselchen nicht, dann könntest Du immer allein herumlaufen und Dich nur mit den Erinnerungen an meine Haarlocke von früher usw. trösten. Jetzt bist Du den Mann und die Haarlocke los. Aber sag mal selbst, ist es nicht wirklich schön und ein Glück, daß wir das leckere Ströppchen haben. Und wenn es wild ist und Du mußt tüchtig schimpfen, hast Du dann nicht im Geheimen Spaß an dem Wilden? Ja, das ist unser Dorotheechen.

Übrigens, der Kuchen hat trotz mangels Eier recht gut geschmeckt. Besonders die vielen Rosinen haben es uns angetan. Wenn Du uns mal Makkaroni schicken willst, tu es nur. Wir mögen sie sehr gern.

Umgekleidet sind wir noch nicht und haben auch unsere Führer noch. Ich weiß auch noch nicht, ob und wann sich darin etwas ändert. Na, ja, auf jeden Fall habe ich dadurch ja nochmal Urlaub gehabt.

So, liebe Elsbeth, jetzt will ich Schluß machen, denn es sind schon 1/2 12 Uhr abends. Ich habe schon eine Menge geschrieben und diesen Brief bis zuletzt aufgehoben. Mir geht es nämlich auch so, daß ich erst den anderen Kram vom Hals haben muß, ehe ich mich mit Dir unterhalte. Nun noch eine recht gute Nacht. Ich will versuchen, von Dir zu träumen, was mir bis jetzt aber noch nicht gelungen ist. Manchmal habe ich schon gedacht, wenn ich ganz intensiv vor dem Einschlafen an Dich denke, müßte ich unbedingt von Dir träumen — aber immer Essig.

Nun sei recht herzlich gegrüßt und ich will Dich im Geiste wieder kräftig umarmen und Dir einen langen, festen Kuß geben.

Immer bin ich Dein lieber Hannes