Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 26. August 1943

26. August 1943

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Dies ist der zweite Brief nach Sizilien. Hast Du den ersten, langen, bekommen? Gestern war ein besonderer Festtag für mich. 5 Briefe von Dir und einer von Klaus kamen an. Ein Festtag in einer Beziehung, traurig auf der anderen Seite. Sehe ich doch wieder, daß es Dir z. Zt. sehr schlecht geht. Auch wenn Du schreibst, daß es nichts Schlimmes ist, lese ich doch zwischen den Zeilen, daß es Dich wieder ordentlich gepackt hat. Bleibe auf jeden Fall bei der Ärztin in Behandlung. So stehst Du wenigstens unter dauernder Kontrolle. Und einmal muß es doch anders werden. Grüße die Ärztin und ich lasse sie dringend bitten, alles für mein liebes, gutes Frauchen zu tun, was in ihren Kräften steht. Gönne Dir Ruhe. Laß die Einmacherei Einmacherei sein und denke nur an Deine Gesundheit.

Wir liegen nun wieder auf dem alten Platz, von dem ich Dir s.Zt. ein kleines Bildchen schickte. Nur Zelte sind jetzt knapp. Wir liegen im Freien. Nachts ist es recht feucht. Morgens ist man selbst und das was man anzieht, ganz feucht. Die Waffen rosten jede Nacht. Aber wir befinden uns wohlauf. Ich selbst bin immer noch gesundheitlich auf der Höhe. Kein Fieber, kein Durchfall. Ich kann Obst (Trauben in der Hauptsache) essen, Wasser trinken, wie ich will. Es macht mir nichts mehr aus. Eben hat es in der Nähe wieder ordentlich Bomben geregnet. Einen Abschuß haben wir mit angesehen. Ein 4-motoriger Amerikaner stürzte ab. Einer rettete sich durch Fallschirmabsprung. Ein anderer sprang ebenfalls ab, wurde aber vom Flugzeug erfaßt und mit in die Tiefe gerissen.

Braun hat Dir im Urlaub ein Paket zukommen lassen. Hoffentlich ist es gut angekommen. Vielleicht kannst Du Frau Braun danken. (Frau Editha Braun, Spaaz, Westhavelland). An diese Adresse schicke auch bitte 40,- RM. Braun hat mir vor etwa 5 Wochen 300 Lire geliehen, die ich ihm hier nicht zurückzahlen kann. Es macht etwa 40,- RM aus. Auf der Anweisung vermerke bitte, daß es sich um von Braun an mich ausgeliehenes Geld handelt. Was war eigentlich in dem Paketchen? Ich las außerdem, daß wieder ein Kuchen an mich unterwegs ist. Das ist ja schön. Hier kann man nämlich nicht einfach in einen Weingarten steigen und sich einen Stahlhelm voll holen. Hier kostet es wieder Geld und zwar das Kilo Trauben 1,30 RM. Außerdem kostet eine Zigarette rund 8 Pfennig. Vor 3 Tagen, als ich als Kurier durch N. kam, habe ich nochmal so richtig gegessen. Es gab Hühnerbrühe, Kartoffeln mit Erbschen in Butter und ein Stückchen Brathuhn. Darnach bekam ich richtigen Apetit und bestellte mir nochmal ein Omelett

mit Kartoffeln und Salat. Rechnung: 80 Lire = etwa 10,50 RM. Aber ich hatte mich wochenlang mit Marschverpflegung herumgeschlagen, sodaß ich diese Ausgabe, so hoch sie auch sein mag,

nicht bereut habe. In Messina konnten wir so viel Fleisch in Büchsen haben, wie wir wollten. Ein Kilo am Tag. Aber kein Brot dazu. Man wird das aber schneller leid, als trockenes Brot essen. Warmes Essen gabs natürlich nicht. Versuch mal, Dich vor eine Kilo-Büchse lauwarmes (von der Hitze) Rindfleisch zu setzen, ohne was dabei (Butter oder Brot od. Kartoffel), dann sieh zu, wieviel Du ißt. Drei Büchsen habe ich noch. Die sollen einmal mit nach Deutschland gehen, wenn ich nicht in eine Notlage kommen sollte. Vorerst ruhen die drei tief unten in meiner Kiste.

Daß die Bilder nun doch angekommen sind, ist ja schön. Also Dorotheechen hat sich gefreut? Hat auch Vater und Anna ihres bekommen? Vater schreibe ich, sobald ich jetzt nochmal Zeit habe. Vorerst heißt es allerdings, die Sturmbootmotore klar machen. Sie sind durch das Seewasser und dadurch, daß sie in ungereinigtem Zustand den langen Marsch mitmachen mußten, vollkommen verdorben, müssen ganz auseinandergenommen werden. Ventile müssen eingeschliffen, Teile erneuert, alles vollkommen gereinigt werden. Das bedeutet tagelange Arbeit von früh bis spät. Und ich hänge jetzt stark an diesen kleinen, schnellen Dingern.

Der Kommandeur des Batl’s., der auch mit einem Boot übergesetzt wurde, hat sich lobend über die sichtbar gute Pflege geäußert. Ich soll jetzt zu den verbliebenen 6 Booten noch

18 neue zubekommen. Aber – – alle Zugänge sind natürlich fraglich. Angefordert sind sie. Es wäre auf jeden Fall eine schöne Sache. Zwei 120 P.S.-M-Boote, die über 1000 Tonnen schleppen können, habe ich schon dazu. Aber nun genug der Fachsimpelei. Ich langweile Dich in Deinem Zustand ja nur damit.

Ich drücke Dich fest an mich und küsse Dich innig auf Deinen lieben, guten Mund. Ich bin immer
Dein Hannes.

[Text unter Zeichnung:]

Ansicht von hinten

An den Bäumen hängen M.P., Mütze, Stahlhelm usw, links das Tropenbett mit Netz, daneben meine Kiste, ein ital. Rucksack, gefüllt mit Konserven für Frauchen und anderen Sachen, eine kleine Kiste für meine Verpflegung, davor eine Kiste mit Wein, Schuhen usw. für, wenns mal heim geht, daneben ein Autositz, davor ein roher Brettertisch mit einem Stuhl, der auf einem in die Erde gerammten Bein steht.