Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 22. April 1941

22. April 1941

Meine liebe, allerliebste Elsbeth!

Heute morgen, als Du noch tief, tief im Bette lagst, wollte ich einen Brief beginnen. Es sind nun inzwischen ½ 12 Uhr geworden. Ich habe mich deshalb zu unseren Quartierleuten in die Küche geflüchtet, denn sonst würde es heute wieder nichts. Ausgerechnet habe ich mir, daß ich von morgens ¼ nach 5 bis abends 11 Uhr auf den Beinen bin, das sind 18 Stunden Dienst und 6 Stunden Schlaf. Gestern habe ich zuerst meinen Eltern geschrieben und wollte auch gleich an Dich schreiben. Aber wieder wurde nichts draus. Wenn ich abends ins Bett steige, bin ich derart müde, daß ich gleich wie ein Toter schlafe und durchschlafe bis 5 Uhr.

Das soll nun aber keine Klage sein, denn gesundheitlich fühle ich mich wohl. Nur das Einzige ist mein Kummer, daß ich Dich nicht mehr so treu mit Briefen bedenken konnte, wie bisher.

Am Sonntag haben wir einen Ausmarsch unternommen. Es war einfach wundervoll. Durch herrliche Wälder, an einem wunderbaren Waldsee vorbei, mit Röhrichtinsel, wilden Enten usw., vorbei ging die „Wanderung“. An dem Waldteich dachte ich an Ernst Wiechert. Ich kann Dir nicht beschreiben

wie schön das für mich alten Fahrtenkumpel war. Auch den Kampf von 2 Storchenpaaren sah ich gestern morgen. Sie zankten sich um ein Nest. Denn das eine Nest liegt gerade über den Kaminen unserer Feldküche und ist deshalb den empfindlichen Adebaren nicht mehr gut genug. Oder ist es der Geruch des Essens? Es gibt jetzt öfter Erdkolrabis, Kappes usw.

Liebes Dorotheechen!

Die liebe Mutti schreibt, daß Du jetzt so lieb bist und auch besser ißt. Nur noch etwas schneller mußt Du essen, denn sonst wird der Rest zu kalt und das ist gar nicht gut für Dein Bäuchlein. Nachher bekommst Du noch etwas an Dein Mägelein (das ist in dem Bäuchlein drin) und dann wirst Du krank und mußt immer im Bettchen liegen, auch dann, wenn das Sönnchen draußen scheint. Und dann wäre die liebe Mutti und auch der Vati recht traurig.

Ich gebe Dir ein schönes Küßchen und bleibe immer Dein guter Vati.

Daß die Hilde [das neue Pflichtjahr-Mädchen] so nett zum Kind ist, freut mich. Und daß sie manches, besonders im „Benimm“ noch lernen muß, kann ich mir vorstellen. Gruß an sie.

So, liebe Elsbeth, jetzt noch einen herzlichen und innigen Kuß von mir. Ich hab’ Dich immer lieb und bin immer Dein getreuer Hannes.