Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 1. Juni 1940

1.6.1940

Liebe Elsbeth!

Heute ist der Tag des Abmarsches gekommen. Wir liegen im Viehwagen und der Zug rollt.

Unser Geld ist schon in fremde Währung umgewechselt. Also geht es in Feindesland (nach Belgien). Aber wir kommen dahin, wo die Kämpfe schon aufgehört haben. Unser Kompanie­führer meint, daß es für uns keine „Königslaterne" mehr zu ernten gibt. Bist Du böse drum?

Bis zur Einladestation hatten wir 12 km zu marschieren. Man hat aber bei feldmarschmäßig gepackt, doch was anderes Gewicht zu tragen, als früher auf Fahrt. Ich hatte den schweren Affen und Gasmaske und am Koppel rings herum: Patronentasche, Seitengewehr, Brotbeutel mit Feldflasche und eine Tasche für Akten usw. Dazu noch das Gewehr Gewehr. Stell Dir mal vor: jetzt kommen wir nachher übern Rhein und ich kann Dich nicht sehen. Aber Du bist immer in meinem Herzen.

Was hast Du zu dem Paket gesagt. Die Augen hätte ich mal sehen mögen.

Aber schicke mir bitte kein Geld, da dieses ins Ausland nicht nachgeschickt wird. Wenn Du schon etwas abgeschickt hast, bekommst Du es wieder zurück.

Die letzten 3 Tage hatte ich keine Post bekommen, dafür aber 3 (mit den Zigarettenpäckchen). Am Zug ist die Post noch verteilt worden. Es war so schön. Ich habe in meiner Strohecke gelegen gelegen und mich daran gefreut. Ach Elsbeth, ich hab Dich so gern, und Du malst mir die Heimkehr so verlockend aus, daß ich immerzu an Dich denken muß.

So will ich mich denn auch jetzt ganz innig an Dich kuscheln und Dir viele, viele Küsse geben. Ich bin immer nur Dein treuer

Hannes

Jetzt muß ich sehen, daß [ich], wenn der Zug mal einen Augenblick hält, einen anständigen Umschlag geschrieben kriege und den Brief irgendwie durchkriege. Schreib mir, ob Du ihn bekommen hast.

Nochmals einen herzhaften Kuß

Mannchen