Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 22. November 1939

22. November 1939

Liebe Elsbeth!

Einen herzlichen frohen Gruß zuvor. Kinnius ist nun weg. Am Vorabend haben wir mit Gesäuf Abschied gefeiert. Er hatte dazu auch den Ofm. Flemig, den stellv. Kompanieführer eingeladen. Das Gesäuf war nicht übertrieben worden und so wurde es ein wirklich netter Abend. Wir haben wieder gesungen, daß die Heide gewackelt hat. Dabei erzählte uns Flemig, wie er seine Frau kennengelernt hat. Die haben sich auf eine zünftige Art gefunden und zwar in der Jugendherberge. Er war Führer von einer Jungengruppe und sie von einer Mädchengruppe. Nachdem sie sich kannten, legten sie die Fahrten der Gruppen meistens so, daß sie sich irgend­wie „zufällig" trafen. Ist das nicht nett? Als Kompanieführer in Stellvertretung wirkt er wie 35-36 Jahre. Er ist aber nur 28. Er muß ein fabelhaftes und sehr schönes Familienleben führen.

An dem Abend kam auch noch unser richtiger Kompanieführer herein und hat ebenfalls mitgesungen. Else hat mir wieder ein kleines Päckchen mit selbstgebackenen Plätzchen und Zigaretten geschickt. Außerdem lag ein Bildchen von Helga bei, worüber ich mich sehr gefreut habe.

Gestern habe ich einen wohl sehr arbeitsreichen, aber umso mehr schönen Tag gehabt. Wir waren zu einem etwa 20 km entfernten Ort mit dem Auto gefahren, um eine nach dahin abkommandierte Truppe zu löhnen. Dabei sind wir einen Weg gefahren, den Du, Kobes Künzel und ich mal mit dem Fahrrad gemacht habe. Ich kannte jedes Eckchen wieder. An einer Stelle dachte ich daran, daß wir hier Rast gemacht, abgekocht und an der Quelle die Füße gewaschen hatten. Es war mir, als ob Du bei mir gewesen wärest. Ich konnte so richtig in Erinnerungen schwelgen, während der Chef und Kamerad Duvel, ohne alle die schönen Momente erfassen zu können, an den mir so lieb erscheinenden schönen Stellen vorbeifuhren.

Wenn ich diesen Brief fertig habe, wollen wir zusammen „dichten!" Ja, dichten, da staunst Du. Das Gedicht soll für unseren nunmehr verheirateten Spieß, Seckelmann, bestimmt sein, wenn der übermorgen wiederkommt. Ich hätte an und für sich zu Hause daran denken können, eine nette Karte mitzubringen. Wenn Du mal eine erwischst, kannst du sie mir mal schicken. Denk bitte auch an das Zeug für mein Feuerzeug.

Als ich zu Hause war, haben wir nicht von dem zum Arzt gehen gesprochen. Wenn Du alles tust, was in Deinen Kräften steht, wäre es mir doch lieb, wenn Du mal hingingest. Du tust mir einen wirklich großen Gefallen damit.

Nun liebes Frauchen, will ich Dich einmal feste küssen und Dir versprechen, daß ich weiter so an Dich denke wie bisher.

Dein Hannes

Tochter von Hubert und Else