Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 3. Juli 1943

3. Juli 1943

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Heute hatten wir eine Abwechslung. Die ganze Kolonne ist ins nächste Städtchen zum Kino gefahren. Es wurde ein deutscher Film für deutsche Soldaten gegeben. „Alarmstufe 5“. Hier ist

es umgekehrt wie in Deutschland. Um 14,30, also in der größten Mittaghitze fing es an. Ich dachte, verschwitzt wie ich war, obwohl ich nichts getan hatte, als im Fahrzeug gesessen, das kann ja gut werden, bei der Hitze auch noch ins Kino. Aber, als wir ins Kino hinein kamen, empfing uns eine angenehme kühle Luft. Der Film riß unendlichemale ab; aber es war mal eine Abwechslung. Danach fuhren der Chef (Oblt. Lambrecht), Feldw. Bloos und ich weiter zur nächsten Stadt. Hier war wohl ganz früher einmal die Sommerresidenz des Königs von Neapel. Ein herrlicher, riesiger Bau, aus purem Marmor, riesigen Marmorsäulen, Ornamenten, Marmorlöwen, schneeweiß, Skulpturen, Deckengemälden. Einfach riesig war der Bau, die Fußböden waren sogar sämtlich aus den verschiedenartigsten bunten Marmorarten zusammengestellt. Ein Bau aus der Frührenaissance. Hinter der Residenz erstreckten sich einige Kilometer weit die Parkanlagen mit Wasserkünsten.

Nachher sind wir mal durchs Städtchen gestriffen, haben etwas Eis, die Nationalerfrischung des Italieners, gegessen, und die Geschäfte angesehen. Sehnsüchtig habe ich vor den Geschäften gestanden, wo in den Schaufenstern schöne Fotoapparate und schöne Uhren lagen. Zum Schluß habe ich mir dann eine dringend notwendige Zahnbürstenhülle zu 10 Lire gekauft (1,35 RM).

In Deutschland würde sie wahrscheinlich 0,45 kosten. Das Geld mußte ich mir schon leihen. Ich warte jetzt noch mit Schmerzen auf Deine eine Nachricht von Dir. Schon der fünfte Tag gänzlich ohne Post. Ist der „Kuchen“, der besagte, abgegangen. Aber wichtiger noch ist mir ein Brief von Dir, trotzdem ich den Kuchen gut gebrauchen könnte.

Zweimal die Woche fahren wir jetzt immer zum Scharfschießen ans Mittelmeer. Anschließend ist dann immer Baden im Meer. Auf die Tage freut man sich schon immer vorher. Es ist herrlich, in dem klaren Wasser, daß sehr stark salzhaltig ist, zu schwimmen. Gestern haben wir

eine Kreuzotter totgeschlagen. Schlangen gibt’s viel hier.

Ich war auch mal auf so einem malerischen Segelboot, weißt Du, so

[Abbildung]

Mit uns wird es jetzt schlecht und zwar werden die Zwiebelfelder jetzt alle abgeerntet. Das war bis jetzt so schön, 3 apfelgroße Zwiebel für eine kleine Pfanne Bratkartoffeln für eine Person. Morgen vormittag, Sonntag, wollen wir mal Fische fangen. Hoffentlich kriegen wir was. Es wäre mal eine schöne Kostveränderung.

So, meine liebe Elsbeth, ich will schon etwas früher schließen. Es ist schon spät und sonst schlafe ich wieder über dem Schluß ein.

Ich grüße und küsse Dich recht herzlich und bin immer
Dein Hannes.