Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 11. April 1940

11. April 1940

Liebste Elsbeth!

In Deinem letzten Brief hast Du so schön Dorotheechen geschildert, wie sie jetzt so alles quasselt und plappert. Ich stelle mir dies illustriert vor und möchte es nur mal mit anhören. Aber daß es Dir wieder schlechter geht, gibt mir wieder einen Stich durchs Herz. Hört das denn überhaupt nicht mal auf? Auf jeden Fall mußt Du alles tun, was der Arzt sagt. Du brauchst doch keine Angst um mich zu haben, also brauchst Du dich doch nicht im geringsten zu beunruhigen. Und wir sind doch so glücklich. Glück müßte doch eigentlich auch heilende Wirkung haben. Oder quält Dich sonst etwas?

Gestern war „Familie Spieß“ wieder raus. Wir hatten einen netten Abend. Zuerst haben wir einen schönen Spaziergang gemacht und sind Dann in einem netten Lokal eingekehrt. Nachher haben wir in der Stadt zu abend gegessen. Fünf Mark waren mal wieder futsch. Ich habe jetzt bei Mergen 18.- M Schulden. Kannst Du mir nicht von meinem Mantelgeld 20.- od. - 25,- Mark schicken? Wenn wir wieder in der Eifel sind, werde ich versuchen, das Geld zu sparen und zurückzuschicken. Du wirst ja hierüber überrascht sein, wo das doch nicht bei mir vorkommen sollte. Aber ich kann doch nicht bei Mergen immer weiter was hängen lassen. Und Du glaubst nicht wie gut so'n Abendessen schmeckt, wenn man mittags von der ewigen Graupen- und Reissuppe nichts gegessen hat. Dann sitzen die anderen bei einem Essen, bis einem das Wasser im Munde zusammenläuft und man auch was bestellt. Das „Kötten“ soll aber einmalig sein!

Wie ist der Ausflug nach Königswinter ausgelaufen? Wars schön? Abwechslung tut Dir vielleicht auch ganz gut.

Heute haben wir schon die ersten feldgrauen Sachen gekriegt. Alles ganz nagelneue Sachen.

Über Dein neues Hütchen freue ich mich. Habe ich doch gern, wenn mein Frauchen schick ist. Auch ist ganz richtig, daß Du nicht auf ein paar Mark gesehen hast. Nach Deiner Zeichnung kann ich aber leider nicht viel sehen. Ob das kein Grund zu Urlaub wäre. Grund: Besichtigung des neuen Sommerhutes meiner Frau, müßte ich dann dem Chef sagen. Was meinst Du, was er mir sagen würde?

Heute sind die 3 Frauen wieder abgereist. Man könnte sie fast beneiden, wenn man sich nicht mit ihnen freuen würde.

So, liebe, liebe Elsbeth, jetzt halte ich Dich mal ganz feste lieb und sage Dir etwas ganz Schönes ins Ohr. Dabei beiße ich Dich so ganz unversehens in das liebe Ohrläppchen. Dorotheechen steht auf einmal da und sagt sicher „böse Vati, Mutti nicht beiß“. Und dann nehme ich das Busselchen auch in den Arm und gebe ihm ein Küßchen aufs Mündchen.

Jetzt herze und küsse ich Dich noch einmal und sage Dir, daß ich immer Dein lieber Hannes bleibe.