Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 21. März 1944

21. März 1944

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Gestern war mal wieder ein reicher Segen. 4 Briefe und 1 großes Päckchen, sowie 2 kl. Päckchen. Der Kuchen und Plätzchen waren tadellos. Aber Käse sollst Du mir nicht mehr schicken. Den kannst Du selber besser gebrauchen. Ich kriege hier mehr als satt.

Daß Du mein Geburtstagspäckchen bekommen hast, freut mich – wegen des Briefes.

Aber, Du sollst Dir nicht immer solche Sorgen um mich machen. Ich komme schon wieder. Mache Du nur, daß Du gesund wirst.

Deine Eltern habe ich leider vergessen in dem Durcheinander. Ich hole es aber nach.

Mit den Fliegerangriffen scheint es ja dauernd schlimmer zu werden bei Euch. Mache nur, daß Du bald in das Sanatorium kommst, damit Du die Aufregung los wirst. Mit Heinz hat’s scheint’s, ja gut gegangen. Als ich von dem großen Gipsverband hörte, dachte ich damals, er hätte was Schlimmes am Becken mitbekommen.

Also, Frau Teuchel hat abgeschickt. Teuchel selbst habe ich vor einer Woche als frisch-gebackenenLeutnant begrüßt.

Wenn das Öl ankommt, schreibe mir’s, ich kann ihm dann nochmal meinen tiefgefühlten Dank abstatten.

Kampmann scheint noch schreibfauler geworden zu sein, als er schon war. Du kannst den Eltern ja schreiben, daß ich mit einem Offz. gesprochen habe, der mit ihm im Lazarett zusammengewesen ist. Es sei ihm ganz gut gegangen.

Das Leben hier läuft jetzt programmäßig. Ausbildung! Ausbildung. Es schießt nicht mehr. Man kommt sich vor

wie im Frieden, wünschte nur, daß in einem der umliegenden entzückenden Waldschlößchen, die allerdings ziemlich verwahrlost sind, Frauchen als Dornröschen säße. Abends nach Dienst könnte ich mich dann ganz Dir widmen – wenn nichts dazwischenkommt.

Hört man keinen Kampflärm mehr, sind die Gedanken immer aufgeschlossen zu solchen Wunschfantasien. Man spricht dann auch mit Kameraden allen Ernstes von solch Aussichtslosem. Haben ein Kamerad und ich doch schon ein Haus, wunderbar gelegen, für Dich und Dorotheechen, zusammen mit seiner Familie, ausgesucht und alles Nähere besprochen, wie wir es einrichten könnten, abends den gemütlichen Teil des Tages zu eröffnen. Man kann sich eine halbe Stunde in solche Wunschbilder vertiefen, um plötzlich ganz nüchtern wieder daraus zu erwachen.

Ich trinke hier täglich etwa einen Liter Rotwein. Zum Mittagessen, zum Abendessen gehört dies bei den Leuten wie bei uns der Kaffee zum Nachmittagskaffee. Und Kartoffeln kennen sie nur als Gemüse. Sie kochen Gemüse und essen das unvermeidliche Brot dazu.

Abgesehen davon, daß ich mir bei Nettuno in dem ständigen Wasser die aufgeweichte linke Ferse etwas aufgescheuert habe, was mich beim Gehen etwas behindert, geht es mir ausgezeichnet. Ich glaube, ich werde jetzt wieder dick werden und meine göttergleiche Figur durch etliche Fleischansammlungen verschingilieren.

Und nun küsse ich Dich mitten auf Deinen lieben, guten Mund und halte Dich fest lieb. Ich bin immer
Dein Hannes.