Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 29. März 1944

29. März 1944

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Ein Briefsegen ist das auf einmal. Heute morgen kamen von der 1. Kompanie 3 Briefe (11., 15. u. 19. 3.) und heute abend Deiner vom 21. März an. Ich habe geradezu in Briefen geschwelgt. Dein letzter Brief hat mich sehr gefreut, in dem Du schreibst, daß es Dir wieder besser geht. Hoffentlich tut das Sanatorium ein Übriges dazu. Diesen Brief richte ich als ersten an Deine neue Adresse.

Also, Hans ist vermißt. [Der Mann von Elsbeths Schwester. Er ist nicht mehr aus Russland zurückgekommen.] Weißt Du, wo? Für Magda und die kleine Ursula ist es ja schlimm. Es kommt in letzter Zeit aber auch so viel davon. Von Hoffmann, weißt Du, der Kamerad aus Berlin hörte ich, daß er in Texas in Gefangenschaft sei. Aber immerhin weiß man, daß und wo er lebt. Mergen habe ich doch vor Kurzem noch geschrieben, und zwar an 58223. Stimmt die F.P.N°. noch?

Also, einen neuen Orden habe ich auch schon wieder.

Hast Du die Urkunde in dem Paket mit eingepackt. Ohne diese wird der Orden ja nicht im Soldbuch eingetragen und ich kann ihn dann doch nicht tragen. Wenn also nicht geschehen, schicke sie mir gelegentlich. Es eilt aber nicht.

Wenn Du diesen Brief bekommst, bist Du also schon im Sanatorium. Hoffentlich gefällt es Dir gut. Und hoffentlich erfüllt es seinen Zweck. Ich bin so froh, daß endlich einmal etwas Handgreifliches geschehen ist.

Morgen fahren wir zur Küste zum Sperreinsatz. Diesmal nur Minenverlegen ohne Feindberührung. Es ist ein sorgloses Gefühl, zu wissen, daß man auch, wie wir es demnächst tun, Minen verlegen können ohne nur die Nacht zu benutzen und ohne von feindl M.G.’s und Ari beharkt zu werden. Die letzte Zeit konnten verlegten wir ja nur noch zwischen Tommy und unserer HKL. Diesmal friedlich an der Küste ohne feindl. Beschuß. Es wird nun die nächste Zeit wieder Arbeit über Arbeit für mich geben. Erkundungen, Einweisungen, Kontrollen, Minenpläne über Minen-

pläne. Hoffentlich können wir bald mal andere „Pläne“ machen als Minenpläne. Was für schöne Pläne haben wir doch schon früher gemacht und durchgeführt. All die schönen Urlaubspläne. Die Paddelfahrt auf der Mosel. Die „Ostseefahrt mit KDF“. Denkst Du noch an unsere Dachstube. Mittlerweile würden wir ja etwas anspruchsvoller. Entweder ganz primitiv oder ganz feudal. Nochmal mit Dir durchs Land latschen zu Fuß, Affen auf dem Buckel, Sonne im Genick, Klampfe vor der Brust und abends ins Stroh kriechen.

Oder: großes, internationales Hotel an der See oder in den Bergen, Frauchen schön etwas geschminkt, braune Farbe, nettes Kleid, etwas Tanz, Leben ringsum. Alles wäre so schön. Das Einfache und das Feudale. Das, was dazwischen ist, ist nicht so recht nach meinem Geschmack. Aber, das sage ich Dir, die Zeiten unserer Pläne, und nicht die der Minenpläne, kommen auch nochmal wieder. Ich habe wie immer, d. h. mit bisher einigen wenigen Ausnahmen, das sichere Empfinden und

eine instinktive Gewißheit, daß ich aus diesem Kriege glücklich wiederkomme. Und dann werden wir Manches ausführen, was wir in dieser langen Zeit im Stillen geplant haben.

Jetzt küsse ich Dich zuerst einmal fest auf Deinen Mund, auf Deine Stirn und auf Deine liebe, weiche schöne Brust und streiche ganz innig die schönen Knospen auf Deiner Brust.

Ich drücke mich fest an und in dich und bin immer
Dein Hannes.

Die beiden Päckchen mit Gewürzen habe ich noch nach Godesberg gerichtet. Hoffentlich kommen sie an. Hast Du Deine Mutter wegen Post Bescheid gesagt?