Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 17. November 1940

17. November 1940

Meine liebe, liebe Elsbeth!

War das aber heute ein postreicher Tag. Kuchen, Briefe und ein wunderbares Glückwunschschreiben. Als ich auspackte, denke ich, nanu: Kein Hochzeitstag, kein Namenstag, kein Geburtstag und kein Garnichts — woher nun. Ich wollte zuerst nicht eher hineinschauen, ehe ich nicht wußte, wofür die Ehre. An den R.O.A. hätte ich nicht gedacht. Und so mußte ich, wenn ich überhaupt wissen wollte, was drinnen steht, schließlich doch aufmachen. Also, herzlichen Dank dafür, Du gutes, treues und aufmerksames Frauchen.

Es ist dies der erste Brief im neuen Heim an Dich. Schon den ganzen Nachmittag sitze ich in meinem gemütlichen Zimmer und schreibe, daß die Hände bald weh tun. Einen ganzen Füller habe ich schon leergeschrieben und eben war ich beim Chef im Zimmer, um ihn um etwas Tinte zu bitten. Bei dieser Gelegenheit sagte er, ich solle Dich herzlich von ihm grüßen und um viertel nach 8 Uhr zu ihm zu einer Flasche Sekt herüberkommen. Hoffentlich bleibt es bei „einer“.

Das gemalte Kleid gefällt mir gut. Stoff dafür habe ich ja schon, auch den Mantelstoff. Aber mit Pelzbesatz ... ich glaube, das gibt nichts.

Wie ist jetzt eigentlich die neue Adresse von Klaus?

Und die Adresse von Mattes?

Elsbeth, weißt Du überhaupt, wie gern ich Dich habe? Ja? Dann müßtest Du mein Herz über die vielen Hunderte von Kilometern hinweg schlagen hören - besonders jetzt im Augenblick, wo ich nur ganz allein an Dich denke und ganz nah mit dem Herzen bei Dir bin. Ist es möglich, daß es Welche gibt, die sich noch lieber haben und noch glücklicher sind, als wir zwei? Wie möchte das dann zugehen. Das könnten doch sicher garkeine Menschen mehr sein. Und so tue ich Dir alles Liebe und Gute an, wie es mir möglich ist. Ich streiche Dir übers Haar und über Deine Schultern, küsse Deinen Mund und Deine Augen und Deine Stirn und die schöne liebe Brust, die Du so fein und weich meinem liebeshungrigen Munde gibst und ich lege mich ganz ruhig neben Dich, fest mit Dir umschlungen. Ich verehre Dich immer als meine liebe, schöne, gute und treue Frau.

Dein Hannes