Johannes Ließem an seine Tochter Dorothea, 1. Januar 1942

Neujahr 1942

Mein liebes, goldiges Dorotheechen!

Ich weiß, daß Du unser liebes und gutes Mädchen bist, daß [Du] der lieben, guten Mutti fleißig hilfst und sie nicht aufregst, dadurch, daß Du bös und unartig bist. Nein, Du willst doch unser liebes Kind sein und Mutti und Vati viel Freude machen. So macht Vati Dir jetzt auch eine Freude und schickt Dir ein kleines Madönnchen. Darauf ist die liebe Muttergottes auf feinem Porzellan mit schönen bunten Farben gemalt. Und das ganze wird von einem reinen, silbernen Rähmchen einfach gehalten. Gefällt es Dir auch? Siehst Du, daß ist ganz allein für mein Doro­theechen, weil es immer so schön an den Vati denkt und ihn so recht gern hat.

Ich würde Dich ja so gern noch einmal auf meinen Arm nehmen

und Dir ein feines Küßchen geben. Und Du müßtest dann Deine Ärmchen um meinen Hals legen und fest drücken – und dabei sagen so wie früher, als Du noch ein kleines Mädelchen warst und noch nicht soviel sprechen konntest wie heute: „Dorotheechen Vati lieb“! Aber noch kann der Vati nicht kommen, denn er ist Soldat und muß helfen, daß die Russen nicht zu Euch kommen und die liebe, gute Mutti und unser liebes Dorotheechen schlagen oder gar mitnehmen. Siehst Du, deshalb kann Vati noch nicht kommen. Aber, wenn er mal kommen wird, wird mein Dorotheechen ganz lieb zu mir sein wie früher, als es noch ein kleines Mädchen war. Ja?

Nun noch ein schönes Küßchen und sei recht, recht lieb zur Mutti

Dein Vati