Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 9. September 1940

9. September 1940

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Nachher fahren Leute von uns nach Bonn und ich habe Gelegenheit, die gekauften Sachen, von denen ich Dir schon schrieb, mitzugeben. Du mußt sie nur in Bonn bei dem Gefr. Wilh. Müller, Bonn, Mauspfad 2b, am besten Mittags gegen 12 Uhr, abholen. Falls Du den Brief von damals noch nicht hast, merke Dir, was ich mitgegeben habe und schreibe mir, ob noch alles ganz und in Ordnung war:

1 Schlafanzug für Frauchen
3 Paar „Hauchdünne“ für Frauchen
1 „ Schühchen für Dorotheechen
1 „ Strümpfchen für Dorotheechen
(1 Portion Grüße, Küsse und viel Liebe für Euch beide)

Ich habe Dir gestern abend und auch vorgestern geschrieben. Hoffentlich bekommst Du nun alle Post.

Gestern schrieb ich Dir und an Dorotheechen einen besonderen Brief zum „Dreijährigen“. Gestern war ich einmal in einem französischen Kino. Du lachst Dich kaputt über die Besucher. Da wird lustig geraucht, Beifall geklatscht, oder gepfiffen und getrampelt. Kinder und Säuglinge fangen ab und zu an zu schreien usw. Der Film selbst war nett aber mittelmäßig.

Vorher bin ich mit dem Spieß mit der Dockart zum Flugplatz hinausgefahren. So hatte man doch gestern mal einen Tag, der sich wenigstens einmal von den Wochentagen unterschied.

Um 4,00 Uhr waren wir auf einem großen Bauernhof, wo der Spieß schon einmal hingeht.

Es sind Flamen und z. Zt. in Frankreich verachtet, - eine Witwe mit 5 Söhnen und 5 Töchtern -. Ich habe sie verschiedenemale geknipst. Den Leuten sind, während sie in den schlechten Tagen nicht da waren, 30 Pferde und 60 Kühe gestohlen worden. Wir haben da auch folgendes gehört: als der Krieg losging, lagen französische Panzertruppen dort in Quartier und fuhren dann nach Belgien zu den Kämpfen. Und wie erstaunten die Leute, als dieselbe Truppe schon nach sag' und schreibe 5 Tagen wieder zurückkamen. Sie sagten, es habe gar keinen Zweck, der Krieg wäre für Frankreich bestimmt verloren. Sie könnten gar nichts machen, da es vom Himmel förmlich Bomben regne.

Ein Kamerad von mir hat mir 2 Aquarelle gemalt. Er ist krank und vertreibt sich so die Zeit. Ich finde das doch sehr nett, nicht wahr?

Und nun, liebe Elsbeth, halte ich Dich ganz fest lieb und küsse Dich ganz innig. Ich drücke mich ganz fest an Dich und lasse Dich nicht mehr los, bis wir zwei selig eingeschlafen sind. Dann lege ich schnell vorher noch Deinen Kopf an meine Brust.

Ich bin immer Dein getreuer
Hannes