Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 18. August 1940

18. August

Meine liebe Elsbeth!

Zuvor einen recht herzlichen Gruß. Ich warte schon mit Verlangen auf Deine erste Post.

Heute schicke ich Dir nochmal ein halbes Pfund Kaffee und zwar ungebrannter. Im ganzen hatte ich noch 1 1/2 Pfund erwischt (Pfund 3,- RM). Ich habe diesmal 3 Päckchen draus gemacht; für Dich, die Firma und Grete. Dir habe ich ungebrannten geschickt, da der sich länger hält. Ich rate Dir, sei vorsichtig und sparsam mit Deinem Vorrat, denn ich weiß nicht, ob ich nochmal welchen kriege. Es geht hier nämlich seit 5 Tagen alles auf Karten und ich glaube, daß man bei Unregelmäßigkeiten noch strenger vorgehen wird, als in Deutschland.

Es ist nun inzwischen der 19. August abends geworden und ich habe gerade Deine erste Nachricht bekommen. Ich bin ganz allein und mußte wie ein Mädchen einen kleinen Aufschrei unterdrücken, als ich das wunderbare Etui sah. Ich habe mich mal scheu umgesehen, ob keiner käme und einen Kuß darauf gedrückt; denn Du hast es ja wohl zuletzt in der Hand gehabt und ich bin so ganz nahe bei Dir, gehe mit Dir nochmal im Arm durch die Straßen und sehe mich mit Freude das Etui im Netteladen sehen und mit Erschrecken den Preis hören.

Aber nun bin ich froh, daß ich ein solch schönes Stück aus Deinen Händen

habe. Hab' also herzlichen Dank dafür und auch für den schönen Brief. In diesem meinst Du, als ob mir die Trennung nichts oder nicht soviel ausmache. Ach, ich will weiter nichts sagen, als ich glaube, daß es Dir nicht ernst gemeint ist. Die Arbeit kotzt einen vorläufig noch an. Rausgehen tue ich sowieso nicht und hier ist es bestimmt nicht so behaglich, wie in unserem schönen Heim. Und vor allen Dingen ist kein liebes Frauchen bei mir. Aber Du und ich müssen uns wieder hineinfinden. Das sind wir schließlich unserem Selbst schuldig. Also, Kopf hoch und sich schon jetzt auf das nächste Wiedersehen freuen.

Und das Dorotheechen so untröstlich war, hat mich „gefreut“. Ist das nicht schändlich? Aber es ist so; denn ich sehe, daß sie so sehr an mir hängt. Wenn man das auch so weiß, möchte man bei einem so kleinen Kind doch auch „sehen“, daß man ihm etwas gilt. Bei Dir weiß ich das natürlich auch ohne diese äußerlichen Zeichen. Ach, liebe Elsbeth, was sind wir doch trotz all den widrigen Umständen doch für glückliche Menschen! Wie freue ich mich auf die endgültige Heimkehr ohne nachfolgende Trennung.

Ich halte Dich nun wieder ganz fest lieb und drücke mich fest an Deine Brust. Ich lasse Dich nicht los und küsse Dich auf Deinen lieben Mund. Du weißt, ich bin immer ganz allein Dein einziger
Hannes