Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 18. Juni 1944

18. Juni 1944

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Zuvor einen herzlichen Gruß und innigen Kuß. Du wirst sicher denken, Hannes hat mich vergessen. Aber, wiederum glaube ich auch, daß Du das nicht von mir denken wirst. Seit dem Beginn der Invasion wurden wir einer Pi-Kompanie zugeteilt. Natürlich nur die Pioniere. Von Morgens bis in die späte Nacht verladen, Marschieren, Stellungen ausbauen, Fähre bauen, Sturmboote in Ordnung bringen. Nachts gings dann weiter in den Stellungen. Dann hieß es: zurück. Der Lehrgang beginnt wieder. Wir kamen an, dann hieß es: der Lehrgang läuft in Berlin. Freude auf der ganzen Linie. Ich kaufte geschwind für 500 Mark für Dich ein. Als ich mit dem Zeug zur Kaserne kam, lag ein neuer Befehl vor: zurück zu den einzelnen Kompanien. Wir bleiben in H. Jetzt begann eine elende Schlepperei. Mein ganzes Gepäck und die gekauften Sachen. Die leicht verderblichen habe ich gegessen, ebenfalls das was in Gläsern war. Allein 4

Gläser delikater Sardellen, geräucherter Aal usw. Gewiß hat es mir geschmeckt, aber es sollte doch ein Leckerbissen für Dich sein. Und alles kostet so wahnsinnig viel Geld, daß es für mich zuviel ist. Jetzt bin ich wieder bei der Kompanie und warte auf Abruf zum Lehrgang.

Ich hätte das Gekaufte gern mal selbst mit zu Dir genommen. Aber die Schlepperei, ich muß es immer tragen, macht mir zu dem Militärgepäck, den ganzen Büchern, zu viel Schwierigkeiten. So muß ich es denn der Feldpost anvertrauen. Ich habe vorerst 6 Päckchen gepackt. Drei davon schicke ich heute, die anderen drei morgen:

heute: 1 Paar Schühchen für Dorotheechen 90,- Mark
1 Pfd. Butter 35,- “
einige Bücher für Frauchen 15,- “
morgen: Geburtstagsmärchenbuch für Dorotheechen
1 Pfd. Butter 35,- “
½ Pfd. Kaffee 165,- “

Dann habe ich noch einen ganzen Holländer Käse hier. Es ist ein Kleiner (7 ½ Pfd. schwer). Kosten 80,- Mark. Ich weiß noch nicht, ob ich ihn zerschneiden

soll und in 4 Päckchen wegschicken will. Vielleicht nehme ich ihn noch mal mit und schicke ihn mal anders. Ein schöner vollfetter Käse. Er hält sich sehr, sehr lange.

Was sagst Du nun zu den großen Ausgaben für verhältnismäßig wenig Zeug. 1 Pfd. Butter habe ich bereits vor einigen Tagen abgeschickt. Schuhe für Dich konnte ich leider nicht bekommen. Schlechten Sommerstoff hätte ich für unheimliches Geld bekommen können.

Durch die ganze Reiserei bin ich kaum zum Waschen gekommen, geschweige denn zum Schreiben.

Vielleicht hast Du vor etwas über einer Woche eine Notiz in der Zeitung gelesen: „Die Division Göring hat sich bei Rom heldenhaft geschlagen!“ Wer weiß, wofür es gut war, daß ich am 23.5., demselben Tag, an dem unser Batl. zum Einsatzraum abrückte, hier herauf kam. Von unserer 1. Kompanie, die mit 250 – 270 Mann ausrückte, sind noch 12 übrig. Denk’

mal, Oblt. Augenstein ist gefallen. Es hat mich mächtig gepackt. Von meiner Kompanie, die mit derselben Stärke ausrückte, ist besteht noch ein Zug (höchstens 40 Mann). Mein Chef, Oblt. Kleinschmidt, schwer verwundet im Lazarett. Bei mir ist es jetzt schon so oft gewesen, daß man ich gerade so vorbeigekommen bin. Das gibt mir Hoffnung, den Krieg zu überstehen. Vielleicht kommt das Ende jetzt schneller, als wir ahnen. Denn was jetzt in Frankreich, was mit unsern neuen Waffen im Augenblick ist, deutet alles auf die Entscheidung hin. Vielleicht gelingt es, den Nerv zu packen. Aber das sind Erwägungen, die ich als kleiner Feldwebel nicht beurteilen kann und darf. Für mich heißt es: weiter seine Pflicht tun und hoffen auf eine glückliche, baldige, dauernde Wiedervereinigung in der Heimat.

In diesem Sinne küsse ich Dich innig und zart auf Deinen lieben, guten, schönen Mund.

Ich bin immer
Dein Hannes,
der Dich innig liebt und verehrt