Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 17. Oktober 1939

17. Oktober 1939

Liebe Elsbeth!

Eine lange Zeit bekam ich keine Post von Dir und nun die Freude, gestern und heute erhielt ich nun auf einen Schlag 8 Briefe von Dir, sodaß es mir garnicht möglich ist, auf alles einzeln einzugehen. Aber eins hat mich mächtig gefreut. Deine letzten Briefe strotzten geradezu von Lebensmut, Freude und von noch etwas anderem sehr Schönen. Mantel- und Kleidzeichnung haben mir auch gut gefallen. Ich bin direkt in eine frohe Stimmung versetzt. Wie schön ist es doch, wenn man sich versteht und gern hat. Die Verbindung geht über Entfernungen einfach hinweg.

Die Arbeit macht mir immer mehr Spaß, obwohl sie viel ist. Das soll natürlich nicht heißen, daß ich hier lieber als bei Dir bin. Aber ich meine, es ist doch besser, daß

einem eine Arbeit Freude macht als nicht. Ich bin hier auf der Bude Rechnungsführer. Heute habe ich auch die Fortsetzung der Kompaniechronik, die ein Kamerad, der jetzt abgeht, angefangen hat, über­nommen.

Gestern Nachmittag (Sonntag) haben mein Kamerad und ich uns mal frei gemacht und sind mit einem Bekannten zum Westwall gefahren (Motorrad mit Seitenwagen). Es ist doch tatsächlich ein großes Werk, was da geleistet worden ist. Zum erstenmal sah ich die Höckerlinie und die unabsehbare Reihe der Bunker. Wie man in einem Ernstfalle da hindurchkommen will, ist mir unklar. Nun ja, umso besser für die Sicherheit im Landesinneren.

Hier sind inzwischen eine ganze Menge Kölner angekommen. Ich glaube, ich schrieb es Dir schon. Da sind Originale drunter, daß sich die Kameraden kaputt lachen. Ich komme allerdings nur noch morgens ü Stunde beim Apell zur Mannschaft. Es freut mich, daß Josef nun doch ein Lebenszeichen von sich gegeben hat, nachdem es in Polen ruhig geworden ist. Auch ich freue mich, daß Lisel jetzt so zur Stange hält. Dorotheechen wird anscheinend auch immer leckerer, was mich noch mehr freut.

Mit Urlaub ist es beschissen. Für eine Kriegstrauung wird 1 Tag gewährt. Jetzt ist bei dieser Gelegenheit einer 2 Tage länger geblieben und hat für diese verlängerte Hochzeitsreise 1 ü Jahr Gefängnis gekriegt. Außerdem ist ein Obf. bestraft worden, der seine Frau hat kommen lassen.

Die Strafe ist in Anbetracht dessen, daß seine Führung bisher gut war, bei einem strengen Verweis, der jedoch als Strafe gilt und ins Strafbuch kommt, geblieben.

Dein und meiner Eltern Päckchen habe ich auch bekommen. Das war sehr schön von Euch. Lieber Moritz! ich will jetzt schließen. Halte den Mut weiter und schreibe nur noch viele so frohe Briefe. Du glaubst nicht, wie gut das tut. Wenn Du Deinen neuen Mantel hast, könntest Du mir mal ein Bildchen schießen. Hoffentlich ist es nicht zuviel verlangt, gerade jetzt, wo ich erst die Bildchen von der Ostsee bekommen habe. Aber ich sehe Dich dann immer wieder anders, obwohl Du immer mein einziges Busselchen bleibst.

Alles Gute, viele Grüße und noch mehr Küsse an Dich und Dorotheechen

Dein Hannes!

Mit dem Tischchen kannst Du so machen. Ich kann Dir ja dieses Jahr leider nichts geben oder schicken, was mir ja vorläufig noch nicht recht in den Kopf will.

Bruder von Elsbeth Ließem
Eine Freundin der Ließems