Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 27. Januar 1940

27. Januar 1940

Liebe Elsbeth!

Herzlichen Gruß Dir und Dorotheechen und vielen Dank für Deine beiden Briefe vom 21. und 23. Januar. Mir geht es genau so wie Dir, daß ich mich jedesmal wieder freue, wenn Dein Brief kommt und ich immer ein besonderes Glücksgefühl habe. Du fragst nach Schlafanzug. Vielleicht klappt es. Meine Feldpost-No. hat sich nicht geändert.

Daß Anna [Hannes' Schwester] glücklich ist, kann ich mir aus eigener Erfahrung denken. Das war doch schön, nicht mein Schatz. Die Wohnungssuche haben die beiden ja gespart.

Das Buch habe ich gelesen. Es ist sehr schön und vor allen Dingen auch so fein geschrieben. Das Schicksal der beiden hat mich sehr gepackt. Man muß da einfach glauben, daß dem, der viel geliebt hat, von Gott viel vergeben wird. Sogar der Mann, der so viele Morde auf dem Gewissen hat, wirkt nicht unsympathisch. Was muß uns da nicht alles vergeben werden, wo wir beide uns doch so sehr gerne haben. Man muß bald glauben, daß wir nicht genug sündigen, um ein Maß von der Liebe zur Sünde zu haben. Nur eins ist in dem Buch kritisch.Die Kirche. Aber nicht umsonst ist das Buch ja von Schmückle.

Liebe Elsbeth, sei doch so gut, und schicke mir gelegent-

lich nochmal einen Schreibblock. Draußen pfeifts. Es muß was besonderes sein, da es zur ungewohnten Stunde ist.

„Ganze Kompanie mit Ausnahme ein Mann Schreibstube heraustreten." Der eine Mann von der ganzen Kompanie bin natürlich ich. Nun will ich mal am Fenster hören, was der Chef zu sagen hat.

Donnerwetter, Du mußt mich jetzt nur noch mit „Sie" anreden. Mit etwas über 20 Kameraden bin auch ich zum „Gefreiten" befördert. Kannst Du Dir denken, wie ich mit dem Zeigefinger jetzt die Nasenspitze hochdrücke. Das kostet mich natürlich wieder ein paar Flaschen Bier.

Aber Mergen und Boenen sind auch befördert und wir teilen uns in die Kosten. Na, ja, die erste Stufe zum General ist erklommen.

Nun, liebe Elsbeth will ich Schluß machen. Daß Dorotheechen nun wieder sich mit Mattes gutstellt, freut mich. Vor 5 Jahren hätte ich mir Mattes gar nicht so vorstellen können, wie er jetzt ist und Du doch sicher auch nicht. Aber schön ist's doch, daß es so gekommen ist. Also, nochmals recht herzliche Grüße für Dich und Dorotheechen und Dir, lieber Moritz einen festen Kuß

Dein Hannes