Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 18. Dezember 1940

18. Dezember 1940

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Einige Tage waren nun postlos. Aber heute bin ich dafür mit 4 Briefen von Dir reichlich entschädigt worden. Daß Dir der Mantel so Freude gemacht hat, freut mich natürlich sehr. Es ist doch schöner, wenn alles nach Wunsch ausfällt, als umgekehrt. Aber, das mit derselben Farbe habe ich schon beim Kauf gewußt. Da es aber der beste Stoff in dieser Art war, habe ich nach langem Hin- und Herüberlegen mich trotzdem dafür entschieden in dem Gedanken, daß Dir ungefähr dieselbe Farbe immer noch lieber ist, als ein gleichgültiges, graues Fischgrätenmuster. Und wie Recht habe ich gehabt, nicht wahr? Ich bin so froh, daß es Dir Freude macht, froher, als ob ich selbst einen neuen Mantel bekommen hätte.

Und nun suchst Du nach einem Weihnachtsgeschenk für mich? Ja, liebe Elsbeth, was soll ich denn hier brauchen? Die Wehrmacht versorgt uns doch mit allem, was wir nötig haben. Braucht denn unser Heim keinen neuen Schmuck? Das ist doch immer die größte Freude, (ich meine, abgesehen von der „persönlichen Freude" über Dich und Dorotheechen) wenn ich nach Hause komme, und ich sehe dann etwas Neues. Übrigens profitierst auch du dann etwas dabei.

Du sollst übrigens nicht so viel bis in die Nacht hinein arbeiten. Das kann Dir doch bestimmt nicht gut

bekommen. Und Du sollst Dich schonen. Was sagt übrigens Dr. Lauerburg. Von ihm erhielten wir, ich meine jetzt die Dienststelle, ein Telegramm, daß der Vater des Soldaten P. im Sterben liege. Er bat um Urlaub. Ging aber leider nicht. Mit Urlaub sind schrecklich strenge Verfügungen herausgekommen, da die Dienststellen übertrieben haben. Die Hälfte der Urlauber kamen ja kaum noch mit. So ist nun auch mein Urlaub in Frage gestellt, ich meine den für Weihnachten. Denn daß wir in die beschränkte Anzahl auch noch kurzfristige Urlauber aufnehmen, möchte ich bezweifeln. Na, die Sache muß ich noch mit dem Chef beköppen, der ja jetzt wiederkommt.

Daß Du zwei Unbekannte bedacht hast, ist ja schön. Ich bin mal gespannt auf das Reagieren und wer usw.!

Ich glaube, daß mir noch Post fehlt von Dir. In einem schreibst Du von „schwarzen Schuhen färben" und ein andermal „die 10,- kannst Du sicher so gebrauchen". Ich habe aber nichts bekommen, was dem vorangegangen sein muß.

Solltest Du evtl. 10,- Mark an mich abgeschickt haben, die will ich gern annehmen und Mergen als „Teilzahlung für geliehenes Geld" zurückgeben.

Daß es von der Firma wieder Weihnachtszuwendung gibt, will ich schwer hoffen.

Ich hatte mich so sehr gefreut, Dir einen Radioapparat mitbringen zu können. Leider ist der, den ich im Auge hatte, nur für Wechselstrom. Und wenn man da zuhause einen

Umformer anbaut, hat man erstens keinen guten Empfang und zweitens kostet das Ding dann viel Geld. Nun steht der Apparat hier herum.

Anbei 4 Bildchen. Aber gut verwahren. Auf zweien siehst Du, wie es Leuten geht, die ausgesprochenen Hunger haben nach einem Stück Brot. Mittags halten sie ihre Kannen hin.

Du schreibst so oft, daß Du mich auf meinen „lieben" Mund küssest. Zur Zeit habe ich aber „Fieberchen" am Mund. Wahrscheinlich von dem fetten Essen (ohne Frischgemüse.) Es bestehen 5 Gerichte: Erbsen-, Linsen-, Bohnen-, Reis- und Gemüsesuppe. Sonntags gibt's schon mal Goulasch, Sauerkraut und Kartoffeln. Aber nicht, daß Du meinst ich würde klagen. Die Suppen sind kräftig mit genügend Fett und Fleisch zubereitet. Und man kann uns ja schließlich keine Hühnchen braten.

Und nun, liebe Elsbeth, küsse ich Dich trotz Fieberchen ganz herzhaft überall hin und drücke Deinen mir so lieben und schönen Körper ganz fest an mich. Ich bin immer Dein
getreuer Hannes