Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 6. Dezember 1940

6. Dezember 1940

Meine liebe Elsbeth!

Ich bin so durcheinander, daß ich im Moment nicht weiß, was ich von Deinen letzten Briefen schon beantwortet habe. Wenn ich jetzt also etwas doppelt mache, mußt Du es entschuldigen. Der Chef ist in Urlaub gefahren, was immerhin etwas Aufruhr verursacht und eben komme ich vom Batl.-Kommandeur, der mich in „sächsisch" angehört hat, daß es so eine Art hatte. Nebenbei konnte ich für die Sache überhaupt nichts. Es war etwas, das der Batl.-Kdr. mit meinem Chef besprochen hatte. Aber ein Soldat soll ja alles wissen.

Über Dein Nikolauspaketchen u. den Adventskranz habe ich mich recht sehr gefreut. Auch sind zu meiner Freude heute 4 große Schachteln Zigaretten angekommen. Das Geld habe ich auch bekommen.

Einen Wunsch für Weihnachten? Ich bin wunschlos glücklich. Wie wäre es, wenn Du mir Weihnachten (es ist jetzt so 80 %ig bestimmt, daß ich an allen drei Tagen bei Dir bin) noch mal Dein Herzchen schenken würdest. Ich bin damit schon mehr als zufrieden. Ich kann Dir ja auch nichts mitbringen, wie wir das früher gemacht haben. Kleiderstoff usw. rechnete ja früher nicht zu den handfesten Geschenken.

Mantelstoff, Futter, Pelz und einen Stumpen habe ich Mergen mitgegeben, der es Dir bringen will. Schreibe mir ehrlich, ob es Dir gefällt. Paßt der Pelz zu der Stofffarbe? Du schreibst vom Kauf einer Pistole, um uns damit

totzuschießen. Wenn ich auch weiß, daß das natürlich Scherz ist, lief es mir ganz gruselig den Rücken herunter. Ich selbst habe jetzt auch eine

Pistole 7/65 Colt. Persil, Höschen, Nüsse, Apfelsinen versuche ich nach dem 11.12., der nächsten Löhnung, zu kaufen.

Übrigens, als ich Anfang November bei Dir war, habe ich einen Film bei Josef Düren abgegeben. Bis heute habe ich noch nichts davon gesehen. Vielleicht hörst Du einmal nach, wie das kommt. Wenn für Dorotheechen bis Weihnachten alles fertig wird, bin ich mal auf die Augen gespannt, die sie machen wird. Auch auf die von Frauchen bemalte schöne Wiege. Ich sehe im Geiste Dorotheechen wie ein Hausmütterchen hantieren, beim Backen, bei den Puppen usw., sehe auch die überraschten Augen, als am Morgen in den Schühchen tatsächlich was drin war. Es ist doch ein goldiger Engel.

So, und nun will ich all das Schöne erwidern, was Du in Deinen Briefen schreibst. Ich küsse Dich herzlich und fest auf Deinen lieben, lieben Mund und bin immer
Dein treuer Hannes