Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 26. Mai 1943

26. Mai 1943

Meine liebe Elsbeth!

Gestern haben wir noch alles verladen müssen und heute gings dann endlich los. Unsere Kompanie fährt auf einem riesigen Güterzug den südlichen Gefilden zu. Offz., Uffz. u. Mannschaften sind in 4 Personenwagen untergebracht. Wir Feldwebel fahren noch mit in 2. Klasse und so ist die Fahrt schon ganz angenehm. 44 Güterwagen fassen unsere Fahrzeuge, Munition, Verpflegung, Geräte; ein stattlicher Zug.

Ich bin nun doch mal gespannt, wie es da unten aussehen wird. Mit der Versetzung haben Vater und Anna verkehrt verstanden. Wenn ich versetzt werde, geschieht das erst im neuen Land. Dort beginnt dann auch die neue Ausbildung.

Ich mußte hier den Brief unterbrechen, da es dunkel wurde. Hier in Nürnberg hält der Zug gerade und nun geht die Schreiberei schon etwas besser. Im Morgengrauen fuhren wir durch Thüringen und eben durchfuhren wir Bamberg. Es wurde mir ganz seltsam ums Herz, als ich von der Höhe die Domtürme herüber grüßen sah. Solch schöne Erinnerung an das schöne Frankenland und an Bamberg, an eine schöne Fahrt im friedlichen Sommer durch friedliches Land, Sonne, weiße Wolken, blauer Himmel. Und ich damals mit Sandalen, kurzen Socken, Klampfe durch die Lande, Staunen in dem wunderbaren Dom.

Und heute ziehe ich wieder durch dieses immer noch ebenso schöne Land. Doch, ach, wie grundverschieden ist die Art des Durchziehens geworden. Heute anstatt der leichten Sandalen-

Stiefel, statt der leichten Bekleidung – Marschanzug, statt der Klampfe – Maschinenpistole

u. Pistole, statt des Baretts – Stahlhelm. Und, als ob der Himmel selbst etwas dazu sagen wollte, statt des blauen Himmels mit weißen Wolken – trübe und regenschwer. Und noch gibt einem die Fahrt durch das Land, das mir auf meinen Fahrten am meisten ans Herz gewachsen ist, weitere schöne Erinnerungen. Alle die schönen Bilder, die Bücher die von den Kunstschätzen und Kirchen erzählen, habe ich mit Dir zusammen zu Hause gesehen und wieder gesehen, haben gelesen, zusammen darüber gesprochen und uns daran gefreut. Und alles das, was damit zusammenhängt, kommt mir jetzt wieder in schöne Erinnerung. Wie kommt es, daß dieses Land mich von jeher so stark beeindruckt hat?

Liebe Elsbeth! ich halte Dich jetzt noch einmal hier in diesem schönen, uns beiden lieben Land, recht fest lieb und gebe Dir einen innigen Kuß.

Dein Hannes

Neue Anschrift abwarten.