Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 3. September 1940

3. September 1940

Meine liebe Elsbeth!

Es ist schon 10.00 Uhr abends. Aber trotzdem will ich Dir noch schreiben, damit Du nicht vergeblich wartest. Nur sei nicht böse, wenn er nicht so lang werden sollte.

Also, über Deine Briefe habe ich mich wieder so von Herzen gefreut, als ob es überhaupt die erste Post sei, die ich von Dir bekomme. Auch über Dorotheechens Gruß freue ich mich.

Aber ganz besonders über die Tatsache, daß es Dir etwas besser geht und Du zugenommen hast. Ich habe wohl zum ersten Mal so richtig frei aufgeatmet und der ständige Druck, den ich um Dich auf dem Herzen habe, ist soviel leichter geworden, als es Dir besser geht. Du kannst Dir vielleicht nicht vorstellen, welches Gefühl in mich zog. Wenn Du nun noch zu dem Bonner Arzt gewesen bist, wird es vielleicht mit der Zeit noch ganz gut mit Dir. Und mir wird dann der die größte Sorge genommen. Aber das ist ja nicht das Wichtigste. Hauptsache ist Deine Gesundheit und dann kommt die „Erleichterung meines Herzens“.

Und wie schön ist das, was Du von Dorotheechen schreibst; daß sie so nach mir gefragt hat und auch ihre Bilderwut.

Was ist denn dieser Dein „persönlicher Wunsch“ für Weihnachten? Du machst die Geschichte ja ganz gespannt.

Übrigens muß ich gerade an Deinen Vater denken. Wir haben heute Leder für die Kammer gekauft. Das Kilo gutes Sohlenleder kostet hier 3,50 RM. Was würde Dein Vater für Augen machen, wenn er so einige Cupons zu einem solch billigen Preis bekäme. Aber leider ist das ja nicht möglich. [Elsbeths Vater ist Maßschuhmacher]

Übrigens, mußt Du von Zeit zu Zeit auch verschiedene grüßen von mir. Vor allen immer Deine und meine Eltern u. Geschwister. Auch wenn Du an Mattes, Franz usw. schreibst. Auch die Firmen, wenn Du hinkommst und Frau Weigel [Nachbarin der Eltern]. Wenn ich nämlich an Dich schreibe, denke ich in meinen Gedanken an Dich nicht dran und ich schreibe auch nicht gern unter die letzten Sätze meiner Briefe, die immer nur ganz Dir gehören sollen: „Grüße auch die und die!“ Ich fühle das dann als eine Ernüchterung des vorher Geschriebenen.

Ich habe Dir 3 Päckchen geschickt: Das Erste mit 3 Stück Palmolive-Seife und die beiden anderen mit einer Art Kernseife oder Waschseife. Und dann vor einigen Tagen noch einmal ein Pfund „Ungebrannten“; oder habe ich das schon geschrieben?

Nun ist der Brief doch noch sicher zu deiner Zufriedenheit lang genug geworden.

Liebe Elsbeth, ich denke an den Anfang Deines Briefes vom 30. August, in welchem Du von so viel Schönem und Lieben schreibst, was Du mir antun willst. Ich bin ganz mit Dir einig und erwidere alles das, wie Du es gern hast. Ich küsse Dich ganz innig auf Deinen so gebefreudigen Mund und lege meine Hände auf die schönen Hügelchen an Deinem so lieben Körper.

Dann spüre ich mit den Fingerspitzen die schönen Knöspchen und küsse sie ganz andächtig.

Ich verehre Dich als mein Ein und mein Alles und bin immer Dein Dir lieber und getreuer Hannes, der Dich von ganzem Herzen über alles liebhat.