Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 21. Mai 1941

21. Mai 1941

Meine liebe Elsbeth!

Vorerst wieder herzliche Grüße an einem schönen, sonnigen Tag. Es ist eine Wohltat, einmal tagsüber herrliche, warme Sonne zu spüren. Und dazu all die vielen Birken, die jetzt beginnen, zu sprießen. Es ist wie Wiechert es in manchen Büchern malt. An Menschen ist die Gegend und das ganze Land ja öde. Die Bauern halten sich hier Deputantenfamilien. Sie bekommen freie Wohnung, Essen, Getreide, Milch usw. und im Monat bar 25,- bis 30,- Mark. Nun stelle Dir vor, was, wie z. B. hier, die Familie mit 8 Kindern mit 30,- Mark macht. Aber, sie kommen damit gut aus, denn, so sagen sie, wir haben immer genug zu essen. Ein Glück, daß ich kein Deputant bin, denn wovon sollte ich dann noch die „verwöhnten Ansprüche“ Frauchens und meine „bescheidenen Zigarettenwünsche“ stillen.

Die Geschichte mit Dorotheechens „Closeterlebnis“ ist sooo nett. Ich habe mir ordentlich einen gelacht, obwohl es für Dorotheechen ja wohl nicht zum Lachen gewesen sein mag. Ach, sie ist ja ein so liebes Stümpchen. Es ist ja so schade, daß ich gerade jetzt die schönste Zeit nicht mitkriege. Wie schön könnten wir doch jetzt im Sommer zusammen spazieren gehen und Blümchen pflücken.

Liebes Dorotheechen!

Der Vati hat sich so sehr über die schönen Blümchen zu seinem Geburtstag gefreut und gibt Dir dafür ein feines Küßchen. Bist auch mein liebes Mädchen, mußt nur nicht mehr am Däumchen lutschen, denn sonst wirst Du ja krank. Sei immer recht artig und lieb zu der lieben Mutti. Dann haben wir beide viele, viele Freude an unserem sonnigen Mädchen.

Dein Vati!

So, liebe Elsbeth, jetzt küsse ich Dich ganz innig auf Deinen guten Mund und bin immer

Dein getreuer Hannes.