Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 9. Januar 1941

9. Januar 1941

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Herzlichen Dank für Deine lieben, vielen Briefe, die ich nun fast alle auf einmal bekommen habe. Darüber, daß Du Sylvester so schön in angeregter Stimmung und Gesellschaft verbracht hast, habe ich mich ja so sehr gefreut, wie ich mich immer so freue, wenn Du Dir mal eine Freude – egal welche – gönnst. Freude (und Urlaub beim Militär) ist der beste Arzt. Der macht Lahme gehend, Blinde sehend, Nervöse unnervös, zu leichte Frauchen bringt er auf normales Gewicht usw. Auch über den „tollen“ Brief habe ich mich gefreut. Am meisten ja über die Küsse von all’ den netten jungen Frauen [frühere Mädchengruppe]. Habe ich aber in meinem nächsten Urlaub Arbeit, alle die Küsse einzukassieren. Aber da brauchst Du ja bei den weiten Wegen nicht mitzugehen. Sollten die Männer dann gerade in Urlaub sein, müsste ich evtl. meine Pistole mitnehmen. Man kann ja nie wissen . . . !

Übrigens, Sonneborn ist tatsächlich die Leseratte und Weihnachten Gefreiter geworden. Er bekommt glaub’ ich, auch wenig Post. Du kannst ihm ja ab und zu einmal schreiben.

Stell Dir mal vor. Das Batl. hat jetzt für jeden Mann ein Buch bekommen. Die Bücher werden wohl am Sonntag ausgeteilt werden. Es sind durchweg gute Bücher und ich werde

schon sehen, daß ich das Richtige für uns schnappe.

Unser Hauptfeldwebel ist auf dem Wege der Besserung. Seine robuste Natur hat ihn über den Unfall hinweggebracht. In den ersten Tagen hatten wir ja nicht damit gerechnet, daß er es überstehen würde. Viermal bin ich jetzt mit dem Auto in L. [Lille] gewesen, etwa 50 km nördlich von hier und habe ihn im Lazarett besucht.

Und Dorotheechen telefoniert noch immer mit mir! Ob es dann keine Fehlverbindung ist, denn es ist noch kein Anruf durchgekommen. Anscheinend hängt sich ein anderer immer dazwischen.

Und nun, liebe Elsbeth, bin ich Dir auch einmal ganz gut und lege mich ganz still und ruhig neben Dich, bis Du etwas Anderes wünschst. Ich küsse Dich auf Deinen lieben, guten Mund und ganz zart auf Deine liebe kleine Brust.

Ich bin immer Dein getreuer
Hannes