Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 23. Juni 1943

23. Juni 1943

Meine liebe Elsbeth!

Heute ist das in Deinem letzten Brief angekündigte Schreibpapier angekommen. Vielen Dank dafür.

In der Reihenfolge der „Stimmungsbilder“ will ich heute etwas über meinen Putzer schreiben.

Er heißt Paul Klingel, ist im Dienst mein B-Krad-Fahrer und im Nebendienst, der allerdings

den ganzen Tag einnimmt, mein Putzer. Einen solchen Putzer habe ich noch nicht gehabt. Er ist ein intelligenter Bursche, 18 Jahre, aus Schweinfurth. Ist schon für 12 Jahre verpflichtet.

Zu sagen brauche ich nichts. Mittags steht meine Verpflegung da, abends mein Essen. Das „Bett“ ist gemacht, Decken lang so zusammengelegt, daß ich mich nur hinzulegen brauche und zweimal umklappen brauche. Mache ich Anstalten, auf aus dem Zelt zu gehen, weiß er, ohne daß ichs ihm gesagt habe, halt der geht sicher zur Vergatterung [Kommando zur Wachablösung], weil es gerade an der Zeit ist. Schon schiebt er die Pistole ins Koppel, steht mit Koppel, Stahlhelm, Rock und Binder neben mir. Für unser Zelt hat er ein Tischchen gebaut, Bänke, ums Zelt herum die Erde geebnet, einen kleinen Raum eingezäunt, einen Waschständer gebaut. Morgens steht der Kaffee da, hängt er die Decken an die frische Luft. Tisch decken und abräumen ist Selbstverständlichkeit. Meine Kiste hat er mit Tropenfarbe fein angestrichen. Heute hat er meine lange Hose gewaschen. Dabei hat er nicht so eine übliche Putzernatur, sondern er ist ein frischer Kerl mit freiem Blick, der gerade und offen Rede und Antwort gibt.

24. 6.

An dieser Stelle bin ich gestern Abend in einen tiefen Dornröschenschlaf gefallen; wurde wach sehr spät, als Braun zurückkam. Er hatte dieselbe Tour nach N. u. P. gemacht, wie ich am Sonntag. Ich bat ihn zu erzählen. Er fing dann auch an mit „Mensch, habe ich ein Geld ausgegeben“. Dann erzählte er genau bis auf den Lire, was er ausgegeben hatte.

Nun ist heute mein Namenstag. Was war es doch früher an diesem Tag schön. Wenn heute einer gekommen wäre und hätte mir die Hand gegeben und gesagt „Herzlichen Glückwunsch“, wäre vielleicht etwas Heimatliches über einen gekommen. Aber so, ein Tag wie der andere.

Liebe Elsbeth, es ist Mittag und die Sonne drückt und drückt. Ich

muß daher schließen.

Bis heute Abend will ich den Brief nicht wieder aufschieben. Es ist schlimm. Die Sonne nimmt einem einfach die Gedanken und die Kraft zum Schreiben. Gesundheitlich geht es mir gut.

Ich herze und küsse Dich innig und bin immer
Dein Hannes.