Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 3. Januar 1941

3. Januar 1941

Meine liebe Elsbeth!

Diesen Brief wirst Du wohl schneller haben, denn Josef Bergheim will ihn mitnehmen.

Ich habe nicht viel Ruhe zum Schreiben, da ich mir die Zeit zwischen der tollsten Arbeit abquetsche. Entschuldige daher, wenn die Gedanken etwas flüchtig werden sollten. Gestern war ich bei unserem Spieß. Es geht ihm schon etwas besser.

Deinen ersten Kurzbrief habe ich erhalten, ebenso den Reiterfuttersack. Es ist ja nett, daß Du so aufmerksam bist, aber ich hatte ihn extra zurückgelassen. Man kann ihn später einmal gut gebrauchen. Er ist mein „Privateigentum“. Er wurde auf dem Vormarsch „gefunden“.

Um Dir die Sorge wegen unseres Doppelverdienertums zu verscheuchen, lege ich Dir als Anlage den Auszug aus einem ergangenen Befehl bei. Da ist klar draus ersichtlich, daß die Bezüge bei Privatfirmen, –Banken und –Versicherungesellschaften keinen Einfluß auf die Auszahlung der Kriegsbesoldung haben. Bist Du nun ganz beruhigt. Verwahre das Blatt einmal gut. Vielleicht kann man es einmal gebrauchen.

Zum Einkaufen bin ich immer noch nicht gekommen; denn ich bin von morgens bis abends „beschäftigt“ und wie.

Hier ist die Kälte nun mit aller Kraft eingefallen. Die Kinder, die ihren Standplatz für „Supp“ und „Brott“ (grade tönen wieder ihre schrillen Stimmchen) aber nicht verlassen, haben sich dicke Tücher, Schals oder Lumpen um den Kopf gewickelt. Das ist überhaupt typisch hier bei Kälte. Die Frauen mummeln ihre Köpfe alle in solche Lumpen usw. Je nach Wohlstand, der aber hier nur für Wenige zutrifft, sieht so eine Vermummung aus. Ich staune nur, daß die Frauen und Mädchen nicht eitler sind. Aber sie denken ganz richtig: es hält aber warm. Heute, in der bitteren Kälte, kam eine von unseren beiden Schreibstubenputzfrauen mit dem geschilderten Kopfputz an, hatte aber Kniestrümpfe an. Knie bloß. Mit ihr kann ich mich auch etwas verständigen. Bis zum Ausbruch des Krieges war sie Schülerin und kann a little English. Sie ist Italienerin.

Und nun, liebe Elsbeth, drücke ich Dich wieder ganz fest an mich und küsse Dich recht herzlich auf Deinen lieben, lieben Mund. Ich bin immer Dein getreuer
Hannes