Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 15. April 1940

15. April 1940

Liebste, allerliebste Elsbeth!

Für Deine so schönen Briefe und das Päckchen recht herzlichen Dank.

Aber, daß Du so grauenhaft von mir träumst, ist ja schrecklich. Aber, wie Du ja siehst, befinde ich mich noch wohl und bei bester Gesundheit.

Mit der Versicherungssache verhält es sich so: Meine Eltern scheinen, als wir noch Kind waren (Hubert und ich) eine Kinderversicherung abgeschlossen zu haben. Das hier ist nun die Aufwertung dafür, was in der Inflation verlorenging. Ich denke, wir lassen das Geld den Eltern, damit sie Anna [Hannes' Schwester] mal was zurückzahlen können.

Mit einem nett. Besuch hier ging zu machen. Du könntest dann ja mit Frau Mergen zusammen kommen. Abends können wir uns schon hier losmachen. Natürlich den ganzen Tag, wie damals, geht es natürlich nicht. Aber ehe wir das mit dem Besuch festmachen, müssen wir erst mal abwarten, ob es nicht Urlaub a la Heimat gibt. Die Aussichten hierfür sind ja sehr gering. Aber man klammert sich ja an einen Strohhalm.

Mit der Wäsche mache ich es jetzt so, daß ich sie einer Wäscherei gebe. Das hatte ich sowieso vor. Aber vorläufig kann ich es ja nicht, da ich keine zum Wechseln habe. Wäsche und Socken trage ich jetzt schon 2 1/2 Woche. Schicke mir nochmal Handtücher und Schlafanzug.

Die Bilder von Z. sind noch nicht soweit. Das „Jüngste Gericht“ habe ich durch die viele Arbeit noch nicht anfangen können. Auch ist man froh, daß, wenn man mal früh genug Schluß hat, sich etwas die Beine vertritt, ins Kino geht, od. mal ein Glas Bier trinkt. Gestern war

eine Wehrmachtsvorstellung im Landestheater. Die Kompanie marschierte auch dorthin. „Hochzeitsreise ohne Mann“ wurde gespielt.

Die Brötchenkarten schicke ich Dir zurück, da wir ja hier Brot und Brötchen ganz gut ohne Marken bekommen. Und es wäre doch zu schade, wenn sie verfielen. Aber für Deinen guten Willen recht schönen Dank.

So, nun habe ich Deine Fragen so ziemlich beantwortet und kann jetzt die Feder zum „freien Schreiben“ anspitzen. Da muß ich Dir zuerst mal wieder das alte immer Wiederkehrende sagen: Ich hab Dich so entsetzlich gern. Ich möchte jetzt mit Dir Arm in Arm gehen, irgendwohin und danach nach Hause, Abendessen und dann setzten wir uns auf die Couch, nähmen ein Buch (und lesen nicht), machen uns eine Zigarette an (die wahrscheinlich nur halbgeraucht würde), ja, und dann? Ja, da stellten wir so manches an, was schön ist. Wie würden wir uns umarmen, herzen und küssen. Ich weiß garnicht, was ich alles tun wollte und Du würdest mir auch alles Schöne antun. So, liebe Elsbeth, in Gedanken an unser schönes Zusammensein und an unser beider grenzenlose Verehrung zueinander, die von selbst alles ausschließt, was unser Verhältnis irgendwie trüben könnte (wie kannst Du bei einem solchen Glück nicht gesund werden?) will ich schließen und Dir noch einmal 3 Küsse geben — einen auf den Mund und die beiden anderen ganz fein und zart dahin, wo Du es gern hättest. Du kannst mir ja schreiben, wo Du sie Dir hinwünschst. Ja, tust Du das?

In aller Liebe und Verehrung bin ich
immer Dein lieber und treuer Hannes