Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 11. November 1940

11. November 1940

Meine liebe Elsbeth!

Heute habe ich Deine ersten beiden Briefe bekommen und war dadurch wieder ganz nahe bei Dir. Wenn Du auch nicht so gut gestellt warst, aber sag', waren es nicht trotzdem drei glückliche Tage? Vielleicht urteile ich allerdings auch zu sehr von mir aus. Aber ich hoffe doch, daß die Freude bei Dir ebenso groß war, wie bei mir.

Mit dem ROA habe ich Dir ja schon geschrieben. Da ich schon über 30 Jahre alt bin, brauche ich keine Übung mitzumachen. Ich mußte mich aber für eine regelrechte andere Waffengattung entschließen. Ich habe „Artillerie“ angegeben. Wahrscheinlich muß ich dann doch noch „Übung“ machen. Ich hätte ja auch Infanterie oder Pionier angeben können, aber ich finde Artillerie interessanter. Da kann man evtl. reiten, hat mit techn. Sachen (Richtkreise, Meßgeräte, mit dem Geschütz selbst und anderen interessanten Angelegenheiten) zu tun. Hoffentlich ist mein geliebtes Frauchen damit einverstanden. Außerdem hat Artillerie auch noch einen anderen Vorteil, den Du ja kennst, nicht wahr!

Aber nun genug vom „Militär“. Daß Dorotheechen lieber bei Oma ist, ist ja ein komisches Gefühl. Aber ich denke, wenn es demnächst wieder zu Hause ist, legt sich das wieder. Und wenn ich erst einmal wieder ganz da bin, wird es noch schöner. Dann gehen wir auch einmal mit ihr in den Wald, oder, wenn es dann für Dich noch immer zu weit sein

sollte, wenigstens mal auf eine Wiese mit Blumen und hohem Gras.

Hast Du übrigens von Frau Mergen Blumen bekommen? Ich hatte sie in Köln auf dem Bahnhof angerufen und sie sagte, daß ihr Mann geschrieben hätte, sie solle welche schicken. Die Blumen wären auch Dienstag abend abgegangen. Ich finde das sehr nett von Mergen.

So, und nun nehme ich Dich einmal beim Kopf und drücke Dich fest an meine Brust. Ich küsse und herze Dich so fest, wie ich es in Wirklichkeit nicht tun könnte - wegen der Nachwirkung. Aber in Gedanken kann ich es ja und noch viel, viel mehr. Ach, liebe Elsbeth, ich bin ja wieder einmal, oder vielmehr noch immer sooo verliebt in Dich und werde es auch immer bleiben.

Dein Hannes