Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 15. Juli 1940

15. Juli 1940

Meine liebe Elsbeth!

Zuvor einen ganz herzlichen Gruß und einen festen Kuß von Deinem Hannes. Heute schicke ich mit gleicher Post ein kleines Pullöverchen für Dorotheechen. Es ist wohl nichts ganz besonders Nettes, aber ich meine, für kalte Sommertage ist es doch angängig. Für hiesige Verhältnisse war es sogar „teuer“, nämlich 1,35 RM (27 Franks). Das Päckchen wirst Du allerdings etwas später bekommen, da diese nicht vom Flugzeug mitgenommen werden können.

Gestern ist endlich unser Spieß mit der Bagage angekommen. Genau 14 Tage war er unterwegs. Sie haben auf der Fahrt viel erlebt.

Unser Mergen ist jetzt schon 3 Tage „dringend“ beschäftigt, Rotwein in Flaschen abzufüllen.

500 Liter haben wir schon bestimmt verkonsumiert aus diesem Bestand, ohne das, was noch in Mengen in Wirtschaften getrunken wird, Wasser darf mal wieder nicht getrunken werden [durch Bakterien verunreinigt] und so greifen wir eben wieder zu unserem Volksgetränk.

Mutter hat mir von Pech aus geschrieben. Unter anderem schreibt sie, daß der Krieg Euch beide ganz aneinander gebracht habe. Sie hätte Dich so gern wie eine eigene Tochter und freute sich immer, wenn Du kämst und sie mit Dir sprechen könne. Ich habe mich darüber so sehr gefreut und ihr das auch geschrieben. Es ist doch für mich ein beruhigendes Gefühl, wenn man weiß, daß zuhause alles zusammenhält. Wir müssens ja auch und uns halten doch nicht mal diese Bande zusammen. Und deshalb ist es manchmal vielleicht schwieriger noch als bei Euch. Denn die Charaktere sind auch hier verschieden. Dazu kommt auch noch, daß der eine gern faulenzt, der andere seine Pflicht tut, der eine den Frauen wie verrückt nachläuft und anderes überhaupt nicht mehr im Sinn hat. Ja, ich kenne welche, die diese Gelegenheiten wahrnehmen noch und noch und sich aber schrecklich aufregen wenn sie an einem Posttag mal keine Nachricht

von ihrer eigenen Frau haben.

Warte nur, wenn ich mal wieder nach Hause komme, dann sollst Du mal sehen, wie ich einer gewissen jungen Frau nachstelle. So etwas von Nachstellerei hat dieses gute und liebe Wesen, nebenbei aber auch ein entzückendes Frauchen, noch nicht erlebt. Ach, Elsbeth, ich freue mich ja so auf Dich und Dorotheechen. Ich küsse Euch beide und Dich ganz besonders herzlich und habe Euch immer so lieb wie es bei einem Menschen überhaupt möglich ist. Und ich weiß, daß es Dir ja ebenso geht und Dorotheechen fängt ja auch schon richtig an.

Ich grüße dich nochmals und bin immer Dein verliebtes
Mannchen.