Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 26. November 1941

26. November 1941

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Endlich sind wir an unserem vorläufigen Ziel angekommen. Kurz, nachdem wir hier waren, kamen in etwa 15 Meter Höhe 2 russ. Bomber und bepfefferten die 15 Meter vor unserem Haus entlanggehende Straße mit kl. Bomben und Bordwaffen. Nichts passiert. Unterwegs ist einigen Kameraden etwas Ulkiges passiert. Sie schliefen mit 7 Mann in einem kleinen Häuschen.

Der Raum war vielleicht noch ½ mal so groß wie unsere Küche. Außerdem schliefen an Russen noch darin 3 Erwachsene und 6 Kinder. Des Nachts fiel ein Kind vom Backofen und zwar so unglücklicherweise direkt in einen Eimer hinein, der halbvoll Scheiße war. Unsere Leute lagen auf dem Fußboden. Der Eimer ergießt seinen duftenden Inhalt zwischen die Liegenden. In der Nacht noch haben sie das „Lokal verlassen“, um sich zu säubern und dem penetranten Gestank zu entgehen.

Wir liegen jetzt wieder nördlich. Auf der Fahrt kamen wir durch eine Stadt, die unter feindlichem Feuer lag. Halten der Wagen ist verboten. Es ballerte gewaltig, aber bald waren wir durch. Wo wir jetzt liegen, ist es ganz „feudal“. Das Haus hat einen Raum und einen winzigen Vorraum. Der Vorraum ist nicht größer als unsere Küche. Dort haben wir die Russen hingestopft, sieben an der Zahl, und wir liegen dahinter in dem größeren Raum. Dort sind wir nun eingerichtet. Als wir hier ankamen, war es gerade Abend. Die 3 Frauen und Mädchen

hatten „Besuch“. Es wurde wunderbar gesungen. Wir saßen im Nebenraum und hörten zu. Es schienen Volkslieder zu sein. Auch die Stimmen waren schön. U.a. hörten wir auch „Schlaf, mein Kind, ich will dich loben.“ Ein ganz klein wenig anders, als wir es singen, ich meine in der Melodie, denn den Text verstehe ich nicht.

Aber nachher wurde es kitschig. Da wurde ein olles, ausgeleiertes und heiseres Grammophon angestellt und die Mädels tanzten. Aber, während wir in unserer letzten Unterkunft schöne russ. Tänze gesehen haben, tanzten sie hier Schieber und Foxtrott. Sogar einen kölschen Schlager von dem Karnevalisten Eberle, natürlich in russ. Sprache, hatten sie drauf. Da macht sich schon bemerkbar, daß wir an einer Hauptstraße zwischen 2 größeren Industriestädten liegen. Hier hat schon die „Zivilisation“ gewirkt. Ich konnte das Gekrächze nachher nicht mehr hören und ließ die Kiste abstellen.

So, daß wären die Neuigkeiten von hier. Jetzt möchte ich nur noch, daß bald, recht bald die erste Post kommt. Ich bin doch so gespannt, wie es Dir geht und wie die Sache mit Schwarz [Herr Schwarz: Nachbar, NSDAP-Mitglied und Gauleiter] ausgelaufen ist.

Nun, an Dorotheechen hast Du ja ein „treusorgendes Hausmütterchen“.

Ich wünsche Dir recht baldige Genesung und küsse Dich gesund. Ich bin immer Dein verliebter, getreuer Hannes

Die markierten Buchstaben ergeben: Tischwin.