Elsbeth Ließem an ihren Mann Hannes, 6. August 1944

Sonntag, 6. Aug. 44

Mein über alles liebstes und bestes Mannchen.

Dein lieber Brief vom 2. Aug. brachte mir beides: Freude und Enttäuschung. Aber die Enttäuschung ist so vollkommen, daß sich die Freude nur ganz bescheiden in mir regen kann. Du kommst also nicht!!!

Ich kann es noch nicht fassen, das kommt zu unerwartet. Ich hatte so ganz bestimmt damit gerechnet, hatte auch das sichere Gefühl, daß es so sein würde; ein anderer Gedanke kam mir garnicht. Fleisch- und Käsemarken habe ich aufgespart, habe mich mit Blumen leichtsinnig in Unkosten gestürzt, weil ich Dich jeden Tag erwartete. Im großen Krug steht ein großer Strauß Gladiolen usw. Nachts habe ich um die gewohnte Zeit nach draußen gehorcht bei weit offenem Fenster, und wenn ich Schritte hörte, sauste ich zum Fenster. Ein paarmal kam Herr Schwarz mit Stiefeln spät nach Hause. Als die Schritte vor dem Hause hielten, dann das Gartentor leise in den Angeln

kreischte und die Schritte zur Haustüre gingen, begann mein Herz wie rasend zu klopfen, ich war nicht fähig einen Schritt zu tun.

Aber dann hörte ich den Schlüsselbund rasseln, und Du hast ja keinen. Da wußte ich dann, daß Du es wieder nicht warst. – In den letzten Wochen konnte mich nichts ärgern oder aufregen. Aller Mißmut und Ärger ging so an mir vorüber. Ich war so voll Freude auf die kommenden schönen Stunden, daß so etwas kein Platz mehr in mir fand. Und nun: Alles aus – – Damit muß ich erst fertig werden. Ich meine, ich hätte Dich noch nie mit solcher Liebe und Sehnsucht herbei gewünscht. – –

Aber daß Du nicht durchgefallen bist, ist doch schön; darüber freue ich mich sehr. Ich wundere mich nur, daß andere noch besser beurteilt wurden als Du; denn ich meine – ganz unparteiisch – daß Dir doch so leicht niemand etwas vormachen kann. Aber wie dem auch sei, das Schlimmste ist hinter Dir, und darüber bin ich sehr froh.

Von einem zweiten Lehrgang wirst Du ja nicht begeistert sein, aber ich denke: 2 Monate von der Front weg! Die 3 Monate, die dazwischen liegen, machen mir Angst. Wären sie nur erst vorüber und Du wärest gesund und wohlbehalten. Hoffentlich hält Dein guter Schutzengel Dir die Treue.

Deine Freude über Dein Wiedersehen mit Lt. Kampmann kann ich mir so recht vorstellen. Das ist ja für Dich eine Entschädigung für so manches Andere. Ich freue mich auch, daß er wieder so einigermaßen herstellt ist; es sah doch recht böse mit ihm aus, wie Du damals sagtest. – Daß seine Braut ihn so enttäuscht hat, tut mir herzlich leid. Verstehen kann ich das ja nicht. Ein Mann mit einem so hervorragenden Charakter, wie Du ihn immer schildertest, dabei äußerlich ein solch netter Kerl, stark und männlich, das müßte doch für jedes wertvolle Mädchen ein Glück bedeuten. Vielleicht verdiente sie ihn garnicht. Hoffentlich kommt er durch ein solches Erlebnis nicht auf verkehrte Gedanken, das wäre doch schade um

Ihn. Gewiß wird er auch einmal ein Mädchen finden, das seiner wert ist und mit dem er dann glücklich wird, so glücklich wie wir beide. Ich lasse Lt. Kampmann herzlich durch Dich grüßen und ihm baldige völlige Gesundung wünschen.

Gestern waren wir mit Frau Hummel und deren Schwester Hannelore wieder den ganzen Tag in

Oberkassel. Mit einem Mal wurde das Wetter so sommerlich, und das wollen wir jetzt, so lange es anhält, ausnutzen. Für morgen haben wir uns wieder verabredet. Dorotheechen hat ein lecker braunes „Rückelchen“ bekommen. Und ich bin natürlich auch schön gebräunt. Dadurch sehen meine dicken Backen ganz gesund aus, während man vorher sah, daß es krankhaft war. Es sind Schwellungen vom Herz her. Diese Schwellungen treten auch manchmal in den Beinen auf. –

Grüßen soll ich Dich von Direkt. Pamp, dem übrigen Büro, meiner Kusine Therese, Tante Gretchen aus Köln u.a.

 

Vorgestern mußte ich zum Arbeitsamt wegen des Arbeitseinsatzes. Ich bin mal gespannt, was daraus wird. Ob ich wohl eingesetzt werde??

 

Und nun, mein herzliebstes Mannchen, küsse ich Dich tausendmal innig und bin immer
Deine Elsbeth,
die Dich sehr lieb hat.