Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 7. Januar 1940

7. Januar 1940

Liebe Elsbeth!

Bis heute habe ich erst 2 Briefe von Dir bekommen, den Brief von Neujahr und vom 3. Januar. Aber ich denke, es kommen noch andere. Den Neujahrsbrief hast Du ja in einer ganz fidelen Stimmung geschrieben. Aber bei Sekt soll das ja kein Wunder sein. Margots Brief habe ich auch bekommen. Wenn Du ihr mal schreibst, kannst Du ja bemerken, daß ich „recht vielmals danken täte".

Heute war ich zum ersten Mal in der Kirche. Ein kleiner Bauernort mit einer ganz alten gotischen Dorfkirche. Es war Hochamt. Der „Kirchenchor" sang zum Steinerweichen. Aber das war ja gottseidank nicht die Hauptsache.

Liebe Elbeth, sei doch bitte so gut und schicke mir umgehend ein paar saubere Taschentücher und nochmal ein reines Handtuch. Ferner einen Schlafanzug. Wenn es zu schwer ist, kannst Du ja 2 Päckchen machen. Das schmutzige Zeug schicke ich dann wieder zurück.

Der Wald sieht jetzt nicht mehr so schön aus wie Neujahr. Der Schnee ist zum Teil weggeweht

und weggefroren, sodaß die Zweige jetzt wieder dunkel gegen den Himmel abstechen.

Vereinzelte dürre Blätter hängen an den Zweigen schlaff herunter. Es sieht so saft- und kraftlos aus. Aber das trügt ja wohl. Denn es hat mir mal einer gesagt, daß der Wald jetzt eben die Kräfte sammelt, die im Frühjahr das Treiben der Blätter ermöglichen.

Was macht denn Dein „Zustand"? Gehst Du auch noch zum Arzt? Was hat er angeordnet?

Du mußt auch fleißig das nehmen, was er Dir vorschreibt. Dorotheechen scheint es nach Deinem Brief vom 3.ten ja wieder ganz gut zu gehen.

Vorvorige Nacht war wieder was los hier. Der Spieß und verschiedene andere sind überhaupt nicht im Bett gewesen und ich höchstens 2 - 3 Stunden. Es waren noch etliche Flaschen dagewesen. Um ein Uhr nachts ging der Spieß nochmal raus, um mit einigen Unteroffizieren weiterzutrinken. Erleichtert und nicht mehr ganz nüchtern legte ich mich gegen 1 od. 2 Uhr nachts „zu Stroh" um nach einer Stunde schon wieder geweckt zu werden. Der Spieß war zurückgekommen und hatte noch ein paar andere mitgebracht. Die wirkten nun in der Bude umher. Ab und zu fing er mit mir an schüttelte mich usw. Um 5 Uhr haben sie mich her­ausgeschmissen und ich mußte mit Kartenspielen bis zum „Wecken". Zur Strafe habe ich ihnen auch etwas abgenommen.

Nun liebster Moritz, sei recht herzlich gegrüßt und ganz fest und oft geküßt von

Deinem Mannchen