Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 21. September 1940

21. September 1940

Meine herzallerliebste Elsbeth!

Heute habe ich wieder vergeblich nach einem Brief ausgeschaut, aber es war „na plus“. Und weil ich heute keine Post bekommen habe, regnet es den ganzen Tag, um mit mir zu trauern.

In diesem Wetter waren wir eben zum Flugplatz. Ich habe da gelöhnt. Wenn ich mich in der Kompanie blicken lasse, gibts meistens Geld. Deshalb muß ich ja eigentlich beliebt sein.

Ob das nun so ist, weiß ich nicht. Ich war mit dem Spieß und Mergen im Dogcart da und das Wasser kam von oben und der Dreck von unten zu uns hereingespritzt. (Schrecklicher Krieg, nicht wahr?)

Es hat sich schon im Regiment herumgesprochen, daß unser Batl. die vorbildlichste Arbeit geleistet hat. Und von unserem Batl. wieder ist unsere Kompanie diejenige, welche.

Gestern war ich mit dem Chef in Peruwelz zum Einkaufen. Der Chef kauft vielleicht ein, da staunst Du. Kleiderstoffe, Konserven, Schuhe usw. Auch Kaffee ist noch ab und zu zu haben, aber das Kilo 10,- RM (ohne Karten). Und das ist mir nun doch etwas reichlich teuer. Für Deinen letzten Ungebrannten habe ich, soviel ich mich entsinne, nur 3,- RM für das Pfund gegeben.

Übrigens, ich will versuchen, Kriegsbesoldung für mich zu als Uffz. zu beantragen. Natürlich brauchst Du das niemand zu sagen,

besonders bei der Firma nicht. Denn, wenn die erführen, daß ich außer meinem 100%igen Gehalt nochmal 130-150,- RM im Monat kriege, könnte das Herrn Pamp mal wieder zu einem seiner diplomatischen Schachzüge verleiten. Du mußt mir aber sofort eine zweite Steuerkarte zukommen lassen. Die kriegst Du ja mal beim Amt in Godesberg. Das heißt: zuerst verlangst Du mal frech eine Steuerkarte. Wenn sie nun sagen, daß schon eine ausgestellt sei, sagst Du, Du meintest natürlich eine „zweite“ Steuerkarte. Die geben sie Dir anstandslos. Gib mir auch die Nummer von dem unserem Sparkonto an. Nun wollen wir hoffen, daß die Sache klappt.

Morgen ist wieder Sonntag, Dein „Leidenstag“. Geh' doch einfach mal des Nachmittags zu Gertrud Streffer [Kunstgewerblerin, Freundin]. Da bekommst Du doch den Sonntag angenehm herum. Sie macht ja keinen „Krach“ (Krach und Gertrud?!) und es ist doch immer nett. Oder lade sie doch einmal ein. Ihr könnt ja auch abends oder nachmittags ins Kino gehen. Dann brauchst Du und sie nicht am Sonntag so alleine herumzulaufen.

Und wenn das nicht geht, lege ich mich im Geiste mit Dir auf die Couch und dann „ruhen“ wir uns etwas aus. Aber da hast Du ja im Augenblick nichts von, denn das Richtige ist es doch nicht.

Ich drücke mich jetzt einmal ganz fest an Dich und gebe Dir einen ganz festen und innigen Kuß. Ich bin ganz verliebt wie ein junger Bräutigam in Dich und bleibe auch weiter immer Dein ganz verliebtes
Mannchen