Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 22. Oktober 1940

22. Oktober 1940

Meine liebe Elsbeth!

Recht herzlichen Dank für Deine beiden schönen Briefe mit dem netten Willkommengruß. Kommen kann ich aber in diesem Monat auf keinen Fall mehr. Ich bin schon froh, wenn ich vor dem 15. November von hier abkomme. Dafür komme ich aber wahrscheinlich, nun höre und staune, sechzehn ganze Tage. Vielleicht bin ich dann ausgerechnet an Deinem Namenstag bei Dir. Aber bitte nicht bestimmt damit rechnen.

Eine Flasche Eierkognak habe ich sofort gekauft. Auch habe ich hier ein Paar Schuhe für Vater bekommen. (11,50 RM). Aber gefallen tun sie mir nicht. Sie sind etwas altmodisch, aber diese Artikel sind sehr rar geworden und Neues bekommen sie kaum noch herein. Aber für einen älteren Herrn tun sie es doch und die Hauptsache ist ja, daß er wieder ein Paar Schuhe hat. Auch war ich gestern noch mal wegen Stoff für Dich und Dorotheechen. Aber auch da ist nichts besonderes gewesen. Und bei Frauchen und Dorotheechen kommt es, zumal bei Stoffen, doch auch auf etwas Geschmackvolles an. Nun, ich will mal irgendwo anders versuchen.

23. 10. 40

Liebe Elsbeth. Mit dem besten Willen habe ich den Brief nicht fertigbekommen.

Gerade war Josef Bergheim hier und brachte Deinen Brief mit Zigaretten und Geld. Weshalb hat Dein Vater denn mehr als 12,- RM gegeben. Es hat mich doch nicht mehr

gekostet und nächstens will ich das nicht mehr haben.

So arm bin ich doch nicht.

Wenn Du nochmals in ähnlichen Fällen jemand Geld mitgibst, bitte nicht mehr im Umschlag, sondern den Leuten persönlich. Die können das dann vielleicht an der Grenze umtauschen in andere Währung. Den Betrag kannst Du ja im Brief nennen.

Und nun liebe liebe Elsbeth, küsse ich Dich mal wieder fest auf Deinen lieben Mund und halte Dich ganz arg lieb. Ich bin immer Dein gutes liebes und Dich immer verehrendes
Mannchen