Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 6. März 1944

6. 3. 44, 17,00 Uhr

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Heute war ein ruhiger Tag. Herausgelöst sind wir gestern nicht worden, aber diese Nacht soll das frohe Ereignis von statten gehen. Aber wir haben Riegelstellung bezogen. Das ist etwa 1 km hinter der HKL, also ziemlich sicher. Ich habe damit auch etwas Ruhe, habe heute in meinem Kellerloch die Gefechtsberichte ausgearbeitet, 22 EK-Vorschläge gemacht usw.

Leider hatten wir ja auch 32 Tote und Verwundete. Aber nun ist es vorbei. Nur die Ari haut manchmal um unser Haus herum, daß der Dreck von der Decke kommt. Sogar meine Stiefel, die nur noch aus Dreck zu bestehen scheinen, habe ich ausgezogen, meine Füße, die

seit Tagen naß und kalt sind, in eine alte Decke gewickelt und so konnte ich denn „gemütlich“ arbeiten. Die Leute in den Stellungen stehen leider im Regen, knietiefem Schlamm, in M.G.-Bunkern, wo das Wasser drin steht. Sie sind ein einziger Dreckklumpen. Ach, wenn uns die Frauen und Mütter sehen könnten, die immer darauf geachtet haben, daß man nicht schmutzig zum Dienst geht. Auch die Läuse vermehren sich zusehends. Im Augenblick arbeite ich 22 EK II-Vorschläge aus.

Schade, daß Lt. Mehlhorn am 29. 2. ausfiel. Wir haben jetzt einen Lt. Just als Stellvertreter. Kennst Du Martin Klar? – so ähnlich!

9. 3. 44

Konnte leider den Brief nirgends absetzen. Wir wurden plötzlich herausgelöst und befinden uns jetzt schon 2 Tage auf dem Marsch. Leider wollen unsere alten, ausgedienten Fahrzeuge nicht mehr so recht mit. Es geht etwa 500 km weit. Es ist seltsam, wo man hinkommt, hört man keine Ari, kein M.G., keine Panzer, sieht nicht die vielen Verwundeten usw. Zu Zivilisten muß man mal wieder höflich sein. Man darf sich nicht einfach eine Kuh fangen. Die

Soldaten, die uns begegnen, sind sauber und adrett angezogen, haben z. T. eine Aktentasche unterm Arm, horchen erstaunt, wenn unsere Landser erzählen. Und Du kannst Dir denken, wenn 18-Jährige Erlebnisse erzählen. Sie haben ja auch viel geleistet. Vor den Spitzenpanzern, die durchbrachen, und die das ganze feindl. Feuer auf sich zogen, krochen sie auf der Straße und suchten Minen. Krochen durch Wassergräben, suchten Deckung in Granattrichtern, die mit Wasser gefüllt waren. Dadurch wurden ihre Sprengmittel und

Zündungen naß, weshalb sie die feindl. Minen nicht sprengen konnten. Sie mußten daher die gefährlichere Art des Aufnehmens wählen. Ein Zug schrumpfte an einem Tag von 3/24 auf 1/8 (1 Uffz. und 8 Mannschaften) zusammen.

Aber nun genug damit. Nun sind wir auf dem Marsch. Wir sind heraus aus dem Dreck. Was wird nun? Da, wo wir hinkommen, ist auf jeden Fall nichts von Krieg los.

Und nun, liebe, liebe Elsbeth, küsse ich Dich ganz innig auf Deinen lieben, guten Mund, nehme Dich auf meinen Schoß und halte Dich

ganz fest lieb. Ich danke dabei dem Schicksal, daß ich gut herausgekommen bin. Ich nehme auch unser kleines Dorotheechen auf meine Arme. Hoffentlich ist sie nicht schon zu alt um auch ihrerseits ihre Ärmchen um mich zu legen und sich fest an mich zu drücken.

Immer bin ich Euer
Hannes und Vati