Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 12. Oktober 1939

12. Oktober 1939

Liebe Elsbeth!

Eben erhalte ich Deine ersten Briefe vom 3. und 7. Oktober. Du kannst Dir denken, welche Freude ich hatte. Auf Schreibstube gefällt es mir jetzt ganz gut und ich denke jetzt langsam auch, wie Du. Außerdem ist es am Tag wenigstens warm. Der Spieß, mein „Chef“ ist in Ordnung. Auch einen jüngeren Kameraden habe ich, mit dem ich mich gut verstehe. Dagegen ist der eine ein Waschlappen. Der denkt den ganzen Tag mit Angst und Schrecken an sein Leben. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß ich nicht daran hänge, schon allein wegen Dir. Aber

sooo weich wie der ist, darf ein Mann, besonders ein Soldat nicht sein.

Wenn er Post von seiner Frau bekommt, setzt er sich in eine Ecke und heult schon bittere Tränen, ehe er den Brief überhaupt schon aufgemacht hat. Na ja, Schluß damit.

Ich habe jetzt militärischen Haarschnitt, Ohren frei und oben Streichholzlänge. Es steht mir aber nicht übel.

Daß in Godesberg ein Flugzeug abgeschossen wurde, habe ich schon in der Zeitung gelesen. Das ist wohl interessant gewesen anzusehen, nicht wahr.

Hast du jetzt den Mantel gekauft? Und ist das mit dem Geld vom Staat und der Firma endgültig geklärt?

Die jüngeren Kameraden sind jetzt alle weg, dafür haben wir ältere Jahrgänge aus Köln be­kommen. Es ist schade, denn ich hatte mich mit den beiden so gut

verstanden. Deine Grüße kann ich daher nicht mehr ausrichten, ich habe sie aber beide einmal für später eingeladen. Überhaupt denke ich es mir schön, wenn man sich später einmal im Zivilleben wiedersieht, ich meine jetzt damit auch andere Kameraden, wie der „lange Schorsch“ (das ist der Stenotypist) usw.

Liebes Busselchen, laß Dir gesagt sein, daß ich immer mit frohem Herzen an Dich denke, daß ich Dich im Geiste schon bald totgedrückt habe und daß ich noch immer an den 1V Tagen zehre. (So bescheiden ist man geworden.)

Nimm dann zum Schluß die allerherzlichsten Grüße für Dich und das kleine Dorotheechen entgegen. Grüße auch die Eltern und unsere Hausbewohner und nimm Du einen ganz herzhaften Kuß von

Deinem Hannes