Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 29. Dezember 1939

29. Dezember 1939

Liebe Elsbeth!

Zuerst einmal recht herzliche Grüße für Dich und Dorotheechen.

Denk' Dir, ich komme gestern abend auf der Zwischenstation G. an und erfahre dort von dem Bahnhofsoffizier, daß unsere Kompanie verlegt ist. Wie froh war ich, daß ich gefragt hatte, denn sonst hätte ich noch die ganze Nacht herumfahren und ca. 15 km herumlaufen müssen. So wußte ich direkt die Station, wo sogar unser Personenwagen stand.

Wir liegen hier in einem Tälchen in einer Art Hohlweg. Wenn man den Bachlauf heraufgeht, liegen links halb in der Erde unsere Erdhütten. Es sieht von außen aus, wie eine Art Wochenendparadies — (aber auch nur von außen). Alles schmucke Fassädchen aus Knüppeln mit einer Knüppeltreppe davor. Jetzt bei dem Schnee bietet das alles ein malerisches Bild wie auf einer Neujahrspostkarte. Und immer ist alles so originell hergerichtet wie für ein Zwergenvölkchen. — So, nun hab' ich, so gut es ging, etwas aufgezeichnet. Dadurch habe ich aber eine Menge Zeit verplempert. Und wo ich sie besehe, muß ich auch noch sagen, daß es in Wirklichkeit ganz anders aussieht.

So, liebe Elsbeth, wünsche ich Dir eine gute Nacht und ein gutes neues Jahr. Wir wollen hoffen, daß das neue Jahr uns Deine Gesundheit wiederbringt. Mehr „Glück" zu wünschen, meine ich bald, wäre frevelhaft. Hoffentlich ist die Erkältung bei Dir und Dorotheechen inzwischen wieder weg und Ihr könnt froh mit Margot Sylvester und Neujahr verleben. Grüße bitte Margot recht herzlich.

Nun grüße ich Dich noch einmal und denke dabei an die schönen Weihnachtstage, die wir zusammen verlebt haben. Viele Küsse

Dein Hannes

Margot Caspari war eine gute Freundin der Ließems.