Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 16. März 1940

16. März 1940

Lieber Moritz!

Eine recht freudige Nachricht. Meine Tasche ist gefunden. Sie liegt bei einer Batterie in Mehren bei Daun und ich fahre morgen hin, sie zu holen. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen und Dir doch sicher auch. Stell Dir mal vor, wenn die Bücher, Schlafanzug usw. alles verlorengegangen wäre. Am leidsten hätte es mir ja um die Bücher und die Photos von Dir, Dorotheechen usw. getan. Ich habe da doch gesehen, wie sehr man Bücher lieben kann.

So, nun habe ich Kaffee getrunken, d.h.: wir hatten heute Kakao. Der Spieß hatte ein Päckchen geschickt bekommen und ein Büchschen Milch.

Übrigens, mit Ostern gibts vorläufig nichts. Ich glaube, daß wir noch vor den Feiertagen in Kasernen kommen. Es könnte vielleicht auch noch über die Tage dauern. Aber in diesem Fall will ich Dir natürlich direkt schreiben. Urlauber werden schon telegrafisch zurückgerufen unter anderem der Spieß. Es tut mir leid um ihn.

Gestern und heute habe ich eine Sauarbeit gehabt. Stell Dir mal vor, der Chef frug nach dem Tagebuch, das täglich geführt werden soll. „Am Sonntag morgen will ich die Chronik sehen." „Jawoll, Kompanieführer!" Und dabei war in diesem Jahr überhaupt noch keine Eintragung erfolgt. Nun habe ich die 2 Tage gesessen und mir Begebenheiten aus den Fingern herausge­zogen.

Meine Zigaretten drehe ich jetzt wieder vorläufig selbst. Erstens ist es billiger und zweitens raucht man nicht so viel, wenn man jede Zigarette zuerst selbst fabrizieren muß.

Nun, liebstes Frauchen, bin ich im Geiste nochmal in unserer Wohnung und freue mich an der schönen Umgebung. Ich halte Dich in meinem Arm und gebe Dir einen festen Kuß.

Doch sieh mal an, da steht auch Dorotheechen, macht ein Fingerchen und lächelt mal ganz schelmisch. Dafür bekommt es einen extra und besonderen Kuß von seinem Vati.

Nun Grüße ich Dich nochmals herzlich und bleibe immer Dein treues Mannchen.

Vielleicht schreibst Du mir mal die Namenstage von unseren Verwandten und Freunden.