Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 16. November 1939

16. November 1939

Liebe Elsbeth!

Heute ist Dein leckeres Päckchen angekommen. Herzlichen Dank dafür. Ich habe mich sehr gefreut und mich gleich über den Inhalt hergemacht. Auch habe ich Deinen Brief bekommen, wo Du schreibst, daß Dorotheechen zu Hause gewesen ist und mich überall gesucht hat.

O, ja, die hängt an ihrem Vati.

Also, Josef war da. Na, da habt Ihr Euch ja sicher gefreut. Wenn er noch da sein sollte, grüßt ihn von der Westfront.

Kinnius ist überglücklich. Stell Dir mal vor. Nicht nur Urlaub bekommt er, nein, er wird sogar E n t l a s s e n. Stell Dir das Glück mal vor. Kurz nach dem Bescheid bekam er den Durchfall vor Freude. Er hat aber auch bald anderthalben Tag geheult vorher. Der Kompaniechef sagte nach­her: „Na dann weg mit ihm, ich will hier Soldaten haben und keine Heulbrüder." Weil er nun in einem kriegswichtigen Betrieb arbeitet, ging die Entlassung zu machen. Wegen damals des Abends bei Dir habe ich ihn aufgeklärt.

Ich kann kaum schreiben, wahrscheinlich hat einer meinen Füller gebraucht; aber ich denke, daß Du den Brief doch lesen kannst und Du Dich drüber freust.

Ich bin einmal gespannt, was Herr Pamp wieder hat. Warst du schon da? Wenn nicht, geh sofort

hin. Ich glaube, Herr Kallmeyer wollte auch monatlich etwas dazu tun. Sag' aber nichts davon. Wenn Du von ihm nichts bekommst, ist es ja auch nicht schlimm. Auskommen tust Du ja anscheinend mehr als reichlich. Du glaubst nicht, wie mich das beruhigt. Herrn Kallmeyer habe ich auch geschrieben. Ich habe da in den Brief einen ganz „raffinierten" Absatz eingeflochten von wegen, daß ich mich freue, daß man in der Heimat für uns Soldaten, die ihre Pflicht dem Vaterland gegenüber tun, so schön eintritt. Dann habe ich ihm das mitgeteilt, was er übrigens sicher schon durch Herrn Pamp weiß — ich meine die geldliche Angelegen­heit. Wenn er daraufhin nicht sagt, na dann bekommt Ließem auch vom Büro seinen Anteil, muß er ein steinern Herz haben.

Aber komme was wolle, Geld oder kein Geld, wir sind uns immer gut, nicht wahr, lieber Moritz. Alles andere kann uns im Inneren aber auch nicht das Geringste anhaben. Wenn man hier so viel sieht, wie einzelne, ich möchte fast sagen, ein sehr großer Teil, häusliche Verhältnisse liegen, geschiedene Frauen, Männer, Zwistigkeiten und solche, die in einer Angst leben, daß ihre Frauen mit anderen sich vergnügen, bekommt man einen gewissen Stolz, weißt Du, so ein sicheres Gefühl, das ich gar nicht beschreiben kann. Ich bin dann sooo froh und ich weiß, daß es um Dich ebenso steht.

So, liebe Elsbeth, nun laß dir Deinen Namenstag gut bekommen. Du weißt, meine Wünsche hast Du dazu noch und noch.

Warst Du in der Klinik??? oder beim Arzt???

Nochmals die allerherzlichsten Grüße und viele,

viele Küsse

von Deinem Hannes

Ein Arbeitskollege von Johannes Ließem