Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 25. September 1940

25. September 1940

Meine liebe Elsbeth!

Ich freue mich schon jetzt auf das „Nachholen“, wie Du in Deinem Brief schreibst. Ach, wenn es nur mal bald wieder sein könnte. Aber wir wollen nicht klagen, denn wir haben ja unser Glück und andere, die vielleicht in der Heimat sind, haben sich wohl selbst, sind aber nicht glücklich. Dann ist es doch so besser, wie wir es haben, nicht wahr, mein lieber Moritz.

Wie lange wir brauchen zum Nachholen? Ich glaube das Nachholen können wir gar nicht, da wir, wenn ich wieder bei Dir bin, Arbeit genug haben, mit unserer Liebe beizubleiben.

Es freut mich, wieder von Dir zu hören, daß Du zu dem neuen Arzt Vertrauen hast. Wenn es auch lange dauert, Hauptsache ist ja, daß Du wieder gesund wirst. Mit „weiteren Kindern“ eilt es ja auch nicht so. Vielleicht, oder am besten, ist es ja ganz damit „na plus“, nur muß mein Frauchen wieder mein frisches, gesundes Mädchen von früher werden. Du willst doch auch sicher nochmal schwimmen lernen.

Mit dem Fensterleder ist es schwierig. Sowas weiß man auch hier kaum noch zu kaufen. Ebenfalls sei vorsichtig mit Ungebranntem, den ich schon geschickt habe oder vielleicht noch schicken werde. Es liegen nämlich in den Kanälen noch ganze Schiffsladungen voll. Nachts gehen sich die Franzosen dann Säcke herausfischen, trocknen ihn und verkaufen ihn geheimnisvoll zu teurem Preis an die Soldaten. Es sind schon Frauen in der Heimat krank danach

geworden und mußten zum Arzt. Also, den ersten Schluck immer vorsichtig nehmen und vorher einmal riechen. Es soll ähnlich wie Lokus riechen, habe aber selbst noch keine Erfahrung damit gemacht.

Gestern sind die Filme von Düren [Josef Düren, Optiker, Vetter von Hannes] angekommen.

Jetzt bin ich einmal gespannt auf die Bilder. Und jetzt weiß ich auch, was Du für eine elegante Französin meinst. Es ist eine Straßenhändlerin aus Paris, die dicht von Soldaten umdrängt war, die alle Andenken (wie die silbrigen Kölner Domtürme auf Tintenfässern usw. so ähnlich, nur daß es eben in Paris der Eif[f]elturm ist) Sie kaufen wollten. Sie gestikulierte so anmutig mit ihren Armen, daß ich das Bild doch machen wollte. Leider habe ich aber die ganze Scene nicht mit draufbekommen und als sie sah, daß sie geknipst wurde, legte sie die Arme ineinander und guckte weg.

Die Filme von zu Hause, die ersten auf meinem Apparat, hat Josef nicht mitgeschickt, weil ich es ihm gesagt habe. Hoffentlich schickt er aber wenigstens die Bilder mit.

So, nun nehme ich Dich wieder mal auf meinen Schoß und drücke Dich fest an mich. Ich küsse dich auf Deinen lieben, schönen Mund und bin immer Dein treuer
Hannes