Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 10. Dezember 1940

10. Dezember 1940

Meine liebe Elsbeth!

Zu Beginn einen ganz herzlichen Gruß und einen festen Kuß. Gestern habe ich von Dir 3 Briefe bekommen und dafür aber heute nichts.

Also, eine solch riesige Nachzahlung hast Du bekommen, na, das freut mich ja. Da siehst Du mal, wie man für uns sorgt. Nächstens werden die Zahlungen aber auf Sparkonto erfolgen. Ich hatte es wohl sofort gemeldet. Daraufhin bekam ich dann einen Brief, ich solle das beiliegende Formular ausfüllen. Ein solches lag aber nicht bei. Nun mußte ich dies zuerst wieder anfordern und Du weißt ja, wie so etwas läuft. „Ich befand mich auf dem Instanzenweg"!

Daß Dorotheechen so mit dem Impfen zu tun hat tut mir leid um das arme Wurm. Weiß ich doch, wie das große Soldaten umwarf. Nur mußten wir noch dabei arbeiten und bekamen die Arme doch kaum bis in Brusthöhe gehoben. Dazu dann die Kopfschmerzen und Fieber. Impfen war für uns auch kein Vergnügen. Nun, inzwischen wird Dorotheechen ja wieder in Ordnung sein und Du wirst Ruhe des nachts haben. Hoffentlich wird es durch die Tage nur nicht zu sehr verwöhnt, daß Du, wenn sie

wieder in Ordnung ist, die Last damit hast.

Aber, daß sie so tapfer ist freut mich wirklich sehr. Du mußt ihr das sagen. Vielleicht versteht sie schon, daß ich mich darüber freue und es gibt ihr Ansporn.

Übrigens sprach ich gestern mit einem neuen uns zugewiesenen Soldaten, der aus M.-Gladbach ist. Bekanntlich ist ja Göbbels auch daher. Er kennt ihn von früher, wie sie sich, die Jungens der einzelnen Ortsteile, gegenseitig „bekämpft" haben. Weißt Du, so ähnlich, wie bei uns früher die Jungenschlachten am Schreiberg, „Oberdorf gegen Friesdorferstraße" usw. waren. Die „Kämpfe" wurden in M.-Gladbach meist in der Nähe einer Ziegelei ausgetragen und Göbbels war ein wackerer Anführer, mutig und ohne jede Spur von Feigheit. Wo es am dicksten herging, war er zwischen. Man griff ihn eines Tages an, als er „Bähnchen" fuhr in der Ziegelei. Er wollte direkt wieder ran, sprang ab und kam mit seinem Fuß unter das Bähnchen zu liegen. Daher heute das kurze Bein. Es ist also bei ihm kein Geburtsfehler, sondern die Folgen eines Jungenkampfes. Ich hätte das nicht gedacht. Seine Eltern sollen einfache, fromme Leute sein.

Und nun, Elsbeth, gebe ich Dir mal wieder alles das wider, was Du mir Schönes geben willst. Ich küsse Dich ganz fest und innig und bin immer Dein treuer
Hannes