Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 1. Dezember 1940

1. Dezember 1940

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief und das Vollkornbrot. Wenn Du meinst, die Kinoerzählung habe mich gelangweilt, so irrst Du. Im Gegenteil! es war mir interessant, Näheres über den Film zu wissen, wo wir uns so viel von versprochen hatten. Zumal kenne ich die Stuart-Geschichte herzlich wenig. Als Junge bin ich einmal im Kölner Reichshallentheater in dem Schillerdrama gewesen. Aber da hatte ich einen solch schlechten Platz und auch noch wenig Verständnis dafür, daß ich kaum was davon verstanden habe.

Ich habe jetzt im Inselbändchen von Konrad Ferdinand Meyer gelesen: Die Hochzeit des Mönchs. Es ist wirklich schön. Wenn Du es mal lesen kannst, tue es. Ein Mönch bricht im Hinblick auf den Wunsch des sterbenden Vaters (der Vater droht ihm, wenn er sein Geschlecht nicht weiterführe, im Hader mit Gott zu sterben. Dispens vom Papst habe er durch eine Urkunde verwirkt.) sein Gelübde und verlobt sich mit der Witwe seines verstorbenen Bruders. Aber es ist sonderbar. Mit dem Bruch des Gelübdes kommt sofort der Bruch des Eheversprechens und er vermählt sich unter den dramatischsten Verhältnissen mit einer

Anderen. Beide finden direkt darnach zusammen den Tod — die junge Frau durch Mord und er im Kampf mit dem Bruder der verlassenen Verlobten. Das ganze spielt im Mittelalter in Italien und als eine Erzählung Dantes abgefaßt.

Vielleicht schickst Du mir noch mal etwas zum Lesen.

Übrigens, kannst Du mal „Rothändle“ besorgen? Wenn es viele sind, umso besser. Das Geld kriege ich ja wieder vom Chef.

Es ist Sonntagabend. Wie schön wäre es nun, den mit Dir zu verbringen. In der Ecke sitzen, von Frauchen zurechtgemachte Schnittchen zu essen, dazu ein Gläschen Wein oder Bier und dann etwas „kuscheln“, bis wir dann zusammen ein[zu]schlafen. Wäre das nicht ein schöner Sonntagabend. Aber dem ist ja nun nicht so und wir müssen uns darin schicken. Dafür erkämpfen wir uns ja auch die spätere Ruhe und den Frieden. Anliegend findest Du eine Rundfunkrede des Inspekteurs der Bautruppen, Generalmajor Klingbeil, der damit die Leistungen der Bautruppen umrissen hat. Ich hätte sie aber gerne aufbewahrt.

Und nun küsse und herze ich Dich ganz innig und Du legst Dich ganz nah und fein an mich, daß ich Deinen lieben Körper so schön spüre. Ich lege meinen Kopf an Deine Brust und hab Dich ganz lieb. Ich bin immer Dein getreuer
Hannes