Hannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 27. Juni 1944

27. 6. 44

Meine liebe, liebe Elsbeth!

Vorerst mal einen recht herzlichen Gruß und innigen Kuß.

Dann: meine neue Feldpost-No. ist:

L 49878 Z Lgpa. Amsterdam
üb. Bentheim

Dann recht herzlichen Dank für Deinen ersten Brief, den zu meinem Namenstag. Es müssen sicher so mind. 10 Stück von Dir unterwegs sein.

Nun zu „mir“.

Der Lehrgang läuft mit unverminderter „Dienstfreudigkeit“ wieder weiter. Wir kommen kaum zum Schlafen. Aber eins hat sich grundlegend geändert. Wir haben in unserm Hörsaal einen anderen Ausbildungsoffizier. Das „Hinlegen“ und „Auf“ hat aufgehört. Wir werden fast wie normale Menschen behandelt.

Gestern hatten wir die von den meisten Teilnehmern so gefürchtete Intelligenzprüfung, in der Lehrgangssprache, kurz „Idiotenfragen“ genannt. Meist sind es so an 50 Fragen auf allen Gebieten. Mit uns hat man es gnädig gemacht.

Es waren nur 7 Fragen die wir beantworten

müssen.

1.) Schlageter, seine Bedeutung und Bezug auf unsere heutige Zeit.
2.) Ritter von Epp, sein Leben und Wirken nach dem Weltkrieg
3.) Welche Werke von Rosenberg kennen Sie und Ihre Stellung dazu? !!!!!
4.) Wer war Scharnhorst?
5.) Cherbourg
6.) Hitler, Führer des Heeres
7.) Hindenburg, Leben, seine größte Tat.

Ich habe schon bei allen Fragen was hingehauen. Bei Rosenberg: Mythos des XX. Jahrhunderts. Grundlage der heutigen nationalsoz. Weltanschauung. Schöpft aus alten germanischen Quellen und neuen Ansichten. Sollte nur „reifen Lesern“ in die Hand gegeben werden.

Wie es mit uns „Alten“ ist, ist immer noch nicht geklärt. Ich habe wenig Hoffnung.

Unser Dienst läuft von morgens 5,00 Uhr (Aufstehen) bis abends 20 Uhr. Die letzte Stunde 19 – 20 Uhr ist Arbeitsstunde. In dieser Stunde sollen

nun die ganzen Themen ausgearbeitet werden vom Tage. Wir könnten aber bis 1 Uhr nachts daran schaffen, wenn wir das so alles schaffen wollten. So wird es immer sehr spät und einen Brief schlage ich mir immer so zwischendurch heraus.

Hast Du die Päckchen alle bekommen? Meine schlimme Angelegenheit sind „Zigaretten“. Ich habe schon einigemale im Schwarzhandel 20 Stück zu 8 und 9 Gulden bekommen, das sind für eine einzige Zigarette 60 – 70 Pfennig. Sei nicht böse über diese Ausgabe, aber bei den schriftlichen Arbeiten spät abends meine ich, müsse ich rauchen.

Hast Du auch die Bücher bekommen? Ich habe schon wieder neue gekauft.

Mein Namenstag ging ziemlich nüchtern vorüber. „Kein besonderer Gratulant.“

Aber nun sind es 22 Uhr. Ich muß mich wieder in die Arbeit stürzen. Ich grüße Dich und küsse Dich ganz herzlich und innig und bin immer
Dein Hannes.