Johannes Ließem an seine Frau Elsbeth, 8. September 1940

8. September

Meine liebe Elsbeth!

Es ist Sonntag Mittag und mir ist heute ganz festtäglich zumute. Vielleicht ist es, weil ich heute oft an unseren Hochzeitstag gedacht habe, der ja jetzt am 19. wiederkehrt. War der erste Hochzeitstag doch herrlich. Denkst Du noch an die Mosel? An das schöne Bild des morgens aus dem Fenster? An das andere junge Ehepaar, den Spaziergang durch die Weinberge, die Fahrt nach Beilstein, das Nüssesuchen, an den ersten Abendspaziergang „bis 10 Uhr“?

An die Abende auf der Terrasse bei Musik und einigen Tänzchen? Burg Elz usw.? Und als unser erster Tag zu Hause war, ach ist das doch alles schön. Doch bald legte sich etwas Ernstes auf uns. Es kam dann die Zeit des nicht mehr unbesorgten Fröhlichen, aber trotzdem band sie uns immer fester aneinander und wir hatten uns immer noch lieber. Dann kam unser kleiner Sonnenschein. Elsbeth, was sind wir doch glückliche Menschen, deren Befinden wohl, aber deren Glück nichts, aber auch gar nichts trüben kann. Ich kann mir gar nicht denken, daß es Menschen geben soll, die glücklicher zusammenleben, als wir. Und nun der Krieg! Er nahm uns auseinander und legte jedem eine schwere Pflicht auf. Aber fassen wir es als eine Pflicht einen für den anderen auf, so ist das auch wieder ein Geschehen, was wohl auf einem lastet, aber immer wieder unsere Bindung stärkt. Ich bin froh und ungemein stolz auf das Vertrauen, was ich in Dich setze und

das Du mir entgegenbringst. Ich bin glücklich, daß unsere gegenseitige Haltung auf Dorotheechens Entwicklung unbedingten Einfluß haben muß und daß Du bei Dorotheechen immer den Vater nahebringst, auch wenn ich nicht da bin.

Beide sind wir durch den Krieg und die Trennung ernster und reifer geworden, verständnislos gegenüber allem Kleinen, Geklatsche, Zänkereien usw. und haben das Bewußtsein, das persönliche Opfer dem Vaterland gebracht zu haben. Von Prüfungen sind wir in diesen drei Jahren also nicht verschont geblieben. Sie haben aber unseren Kern härter geschmiedet und das ist vielleicht gut so. Wir sind keine Turteltauben, sondern feste Menschen, die Nichts niederzwingen kann. - Nur könnte diese Zeit doch bald vorbei sein.

Liebe Elsbeth, ich wünsche, daß wir noch lange, lange so glücklich aneinander bleiben und daß Du bald wieder gesund wirst. Ich küsse Dich fest auf Deinen lieben Mund, ich küsse Deine Augen, Deine Stirn und Deine Brust und verbinde mich im Geiste nochmal ganz, ganz innig mit Dir.

Ich bin immer Dein glücklicher, getreuer Hannes, der Dich verehrt und immer liebt.